19.01.2021

Symbolisch

Gerhard Huber arbeitet seit April 201 zusammen mit rund 1.400 Kolleginnen und Kollegen im Vinzenz von Paul Hospital in Rottweil, einer psychiatrisch-neurologischen Klinik mit stationären, teilstationären und ambulanten Behandlungsangeboten. Der gebürtige Österreicher ist kein Arzt, kein Pfleger, kein Psychologe oder Sozialarbeiter, sondern katholischer Pfarrer. Zusammen mit einer evangelischen Pfarrerin, einer Ordensschwester sowie einem Pastoralreferenten kümmert er sich um die ökumenische Seelsorge der Patientinnen und Patienten, aber auch der Mitarbeiter. Bei 467 Klinikbetten, 129 Tagesklinikplätzen, 343 Heimplätzen,verschiedenen ambulanten Diensten sowie einer Werkstätte für psychisch behinderte Menschen sind die Tage und Wochen komplett ausgefüllt.

Gerhard Huber geht nahezu täglich von Tür zu Tür und sucht das Gespräch: „Im Gegensatz zu einer Kirchengemeinde kommen die Leute nicht zu uns, wir gehen zu ihnen.“ Überwiegend freuen sich die Patienten, wenn Huber ins Zimmer kommt. Der 55-Jährige nimmt seine Aufgabe sehr ernst: „Egal ob kurze Gespräche, Small-Talk, ein gemeinsames Gebet oder ein längerer Austausch über das Glaubensleben – ich versuche immer, mich im Hier und Jetzt auf mein Gegenüber einzulassen.“ Das kostet Kraft und Konzentration: „Ich benötige stets drei Ohren. Ein Ohr für mein Gegenüber, ein Ohr nach innen und ein Ohr zu Gott.“

Jede Begegnung ist anders. Die mit dem schwerkranken Menschen, der nur wenig sagt und sich dankbar zeigt über ein kurzes Gebet. Die mit dem Menschen der Lebensmitte, der sich mitten in einer tiefen Krise oder Depression befindet, dessen „Lebenshaus“ wackelt. Oder die Begegnung mit dem Menschen, der unter einer schweren psychischen Störung leidet und dessen Kommunikation komplett anderen Regeln folgt. Nicht selten hört Gerhard Huber den Satz: „Das sage ich jetzt nur Ihnen!“ Dann versucht er, einzuwirken und bittet darum, sich auch den Psychologen zu öffnen. Nach mehreren Gesprächen in Folge sucht er kurz sein Büro auf: „Durchatmen, etwas trinken und kurz inne halten oder eine andere Arbeit erledigen.“ In der Tagesklinik Spaichingen leitet er regelmäßig als freiwilliges Angebot Mediationen an.

Tagsüber ist Huber in zivil unterwegs: schwarze Stoffhose, Hemd und kein Priesterkragen: „Ich möchte unvoreingenommen und auf offene, persönliche Weise den Menschen begegnen, nicht auf der Amtsebene. Die Uniformität soll nicht im Vordergrund stehen.“ Bei den täglichen Gottesdiensten in der zur Klinik gehörenden Klosterkirche tritt er jedoch im liturgischen Gewand vor die Ordensschwestern und Besucher. Die Farben der Messkleider haben alle eine Bedeutung. Grün ist sozusagen die Alltags-Farbe in der Zeit des Jahreskreises, im Gegensatz zu den festlichen Zeiten. Er nimmt sich viel Zeit, sich in der Sakristei umzuziehen: „Hektik kann ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht gebrauchen. Das Gewand ist für mich wichtig, da ich gleich vor Gott trete und mir der Verantwortung bewusst werde, die Anwesenden dabei mitzunehmen.“

Dem 55-Jährigen ist es wichtig, mit der entsprechenden Haltung und der angemessenen Sprache den Gottesdienst zu feiern: „Für mich bedeutet das, durch Gebete, Rituale ein Stück weit Erde und Himmel zu verbinden. Dabei hilft mir das knöchellange Gewand, welches schon von den ersten Christen getragen wurde. Es erinnert mich an die Taufe, dass ich zu Christus gehöre. Bereits die ersten Christen haben es nach der Taufe getragen.“

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