19.01.2021

Schutz

Sven Faist ist Elektroniker für Gebäude- und Betriebstechnik. Seit seiner Ausbildung ist er bei der ENRW Energieversorgung Rottweil beschäftigt. Da die ENRW die öffentlichen Stromnetze rund um Rottweil und Zimmern betreibt, zählen zu seinen Aufgaben deren Wartung, Unterhaltung und Pflege. Gelegentlich muss er dabei auch unter Spannung arbeiten, will heißen: er hantiert mit Kabeln, Leitungen und Drähten, durch die Strom fließt. Viel Strom. In der Regel 400 Volt und mehr. Würde die ENRW nämlich bei jeder Reparatur am Netz den Strom abstellen, wären umgehend viele Menschen ohne elektrischen Saft.

Unter Spannung zu arbeiten, ist sehr gefährlich. Warum eigentlich? „Zum einen besteht im Bereich von unter Spannung stehenden Anlagenteilen die Gefahr von glühend heißen Lichtbögen. Diese entstehen durch Elektronen in der Luft. Lebensgefährliche Stromschläge oder schwerste Verbrennungen können durch Kurzschlüsse entstehen, aber auch ohne dass der Mensch die Leitung berührt. Im Mittelspannungsnetz mit 20.000 Volt reicht schon die Nähe zur Leitung“, erklärt der 21-Jährige.

Zum anderen arbeiten fast alle Organe des Menschen auf Basis schwacher elektrischer Impulse, die vom Gehirn ausgehen. Alle Flüssigkeiten des menschlichen Körpers leiten diesen Strom. Mediziner sind in der Lage, die Impulse zu messen, so etwa beim sogenannten „EKG“, dem „Elektrokardiodiagramm“, mit dessen Hilfe die Aktivität des Herzens gemessen wird. Auch das Herz erzeugt schwache elektrische Ströme.

Kommt der menschliche Körper nun mit einem Stromimpuls von außen in Berührung, der größer ist als der selbst erzeugte, verkrampfen die Muskeln und verhindern so eine Unterbrechung zur Stromquelle. Das Herz versucht, den schnelleren und stärkeren Impulsen zu folgen und würde bei einer Netzspannung von 50 Hertz rund fünfzig Mal proSekunde schlagen. Herz-Rhythmusstörungen und Herzkammerflimmern münden schnell in den Ausfall der Herztätigkeit und einen Kreislaufstillstand. Der nun einsetzende Sauerstoffmangel schädigt das Gehirn und führt zum Tode.

Die Folgen eines Elektrounfalls sind abhängig von Stärke und Art des Stroms, welcher bei der Berührung durch den Körper fließt, von der Dauer der Berührung sowie dem Weg, den der Strom durch den Körper nimmt. Schon 50 Milli-Ampere können lebensbedrohlich wirken, wenn der Strom über das Herz fließt. Generell gilt: Feuchtigkeit wie Schweiß oder nasser Boden verringert den Widerstand und erhöht die Leitfähigkeit.

Arbeiten unter Spannung dürfen aus diesem Grund ausschließlich Elektrofachkräfte mit entsprechender Zusatzausbildung ausführen. Erstes Gebot: Ohne isolierende, nicht-leitende und lichtbogenfeste Spezialkleidung geht gar nix. Jacke, Hose, Helm mit Visier und Stiefel als Schutz vor Stromschlägen und Lichtbögen sind ebenso Vorschrift wie Gummihandschuhe, die bis 1.000 Volt den Strom isolieren. Mit dieser persönlichen Schutzausrüstung kann der Techniker im Niederspannungsnetz unter Spannung die nötigen Arbeiten ausführen. Sollte dennoch etwas passieren, steht immer eine zweite Fachkraft zur Aktivierung einer Rettungskette bereit.

Bei der ENRW verfügt jeder Strom-Monteur über diese Spezialkleidung, welche komplett rund 1.000 Euro kostet. Auch Sven Faist. Als Nachwuchskraft hat er sie noch nicht oft benutzt. Bei dieser gefährlichen Tätigkeit macht es Sinn, den erfahrenen Kollegen einmal mehr über die Schulter zu schauen.

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