19.01.2021

Hirschleder

Andreas Wilkens ist Schwabe. Lebt und arbeitet in Tübingen. In Rottweil aufgewachsen und immer noch stark mit der ehemaligen Reichsstadt verbunden. Aber ein beträchtlicher Teil seines Herzens schlägt für den Freistaat Bayern. Genauer gesagt für ein, wenn nicht für das Symbol bayrischen Lebensgefühls: die kurze Bundhose aus Leder. Offenbar eine genetisch bedingte Leidenschaft. Ein Teil der Verwandtschaft wohnt in Augsburg und München. Im Rahmen zahlreicher Besuche wurde der kleine Andreas mit den traditionsreichen Beinkleidern sozialisiert. Seit dem 18. Lebensjahr sammelt der Betriebswirt Lederhosen wie andere Menschen Briefmarken: „Mich fasziniert die geile Optik, das Handgemachte, das Kunsthandwerk an den Lederhosen. Darüber hinaus beeindruckt mich diese schöne Tradition und ein kleines bisschen trage ich dazu bei, dass sie bestehen bleibt.“

So oft es geht, trägt der 51-Jährige seine Sammelstücke spazieren: „Nichts geht über Hirschleder. Es ist extrem beständig und außerdem atmungsaktiv. Im Sommer bleibt es kühl und im Winter hält es warm!“ Längst gilt Andreas Wilkens im Freundes- und Bekanntenkreis als Trachtenexperte schlechthin: „Vielen Freunden habe ich bereits Lederhosen besorgt.“ Und selbst im tiefsten Bayern erfuhr der Familienvater bereits ein Lob von urbayrischen Stammtischbrüdern. Natürlich gehören zu einer bayrischen Lederhose die richtigen Accessoires: handgemachte Schuhe, gehäkelte Socken, spezielle Hemden und Hosenträger.

Manche seiner Lederhosen sind wahre Antiquitäten: „Einzelne sind über hundert Jahre alt.“ Teilweise über 3.000 Euro kostet eine solche betagte Rarität aus Hirsch- oder Gamsleder. Die zahlreichen Oktoberfeste in ganz Deutschland haben nicht nur die Preise nach oben getrieben, sondern auch die Produktionszeiten für Neuanfertigungen verlängert: „Aufgrund der großen Nachfrage muss man nicht selten drei Jahre auf eine handgemachte und maßgeschneiderte Lederhose aus Bayern warten.“ Aus diesem Grund hat sich Wilkens auf den Erwerb von gebrauchten Beinkleidern spezialisiert. Dass die Sammlung stetig wächst und derzeit 63 Exemplare umfasst, liegt an den guten Kontakten, die Andreas Wilkens mit den Jahren aufbauen konnte. Ein Freund am Tegernsee betreibt eine Gerberei, in einschlägigen Facebook-Gruppen zum Thema „Bayrische Tracht“ ist der 51-Jährige wohlbekannt und ein Spezialist für Haushaltsauflösungen in Garmisch-Partenkirchen meldet sich umgehend bei Andreas, wenn er auf eine Lederhose stößt.

20201216_enrw_134_web123