19.01.2021

Stroh

Dieses Jahr muss das Fasnets-Häs wohl leider im Schrank bleiben. Zumindest an Umzüge oder Saalveranstaltungen ist angesichts der Pandemie nicht zu denken. Die vielen tausend Narren im deutschen Südwesten bedauern dies sehr. Auch Lukas Hagen ist traurig. Von Kindesbeinen an ist der Spaichinger mit seiner Familie und Freunden an den tollen Tagen unterwegs. Aber auch die Narrentreffen in den Wochen vor der Fasnet lässt er normalerweise nie aus: „Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß und Stolz, im Häs durch die Straßen zu ziehen, das Publikum zu necken und sich vermummt zu zeigen.“

Lukas Hagen ist Mitglied der Narrenzunft Deichelmaus Spaichingen und besitzt seit acht Jahren ein Stroh-Hansel-Häs, welches der 24-Jährige einst gebraucht gekauft hat: „Mir gefällt der hohe Wiedererkennungswert dieses Häs′. Es ist im Gegensatz beispielsweise zu Hexen oder Weißnarren einzigartig.“ Die Entstehung dieser Figur ist nicht eindeutig geklärt. Niemand weiß genau, ob das Stroh möglicherweise an Hütekinder erinnert, welche sich einst beim Gänsehüten auf der Spaichinger Gänsweide Stroh von den Feldern umbanden, um sich vor der Kälte zu schützen. Vielleicht stand aber auch das Funkenfeuer am Funkensonntag Pate, da dort eine Strohpuppe verbrannt wird.

Wie aufwändig sich die Herstellung des Häs gestaltet, konnte der in Ulm tätige Berufsfeuerwehrmann hautnah erleben, als er sich vor zwei Jahren ein neues Häs zulegte und dabei selbst Hand anlegte. Auf das Narrenkleid werden mehrere tausend Strohstreifen angebracht. Diese müssen zunächst geschnitten und mit einem speziellen Lack imprägniert werden. Anschließend legt man sie auf zuvor geschnittene und gebügelte Stoffbahnen. Dann wird alles zusammen auf das Kleid genäht.

Lukas Hagen kann sich noch gut an die vielen Abende erinnern, die er mit diesen Arbeiten verbracht hat. Umso größer war sei Stolz, sein selbst gemachtes Häs erstmals in der Öffentlichkeit zu zeigen. Das Spaichinger Stroh-Hansele gibt es in zwei Ausführungen: einmal mit Hose und einmal mit Rock. Auch bei der Holzmaske kann der Träger wählen: entweder ein glattes Kindergesicht oder ein ausdruckstarkes Männergesicht. Letzteres ist ausschließlich der Hosen-Form vorbehalten. Als Neckinstrument benutzen die Stroh-Hansele sogenannte „Saublodern“, eine ausgeblasene Schweinsblase, die an einem Stock befestigt ist.

„Als Stroh-Hansele bin ich immer gut gelaunt und strahle Freude aus“, erzählt der Spaichinger. So hofft er inständig, bei der kommenden Fasnet zumindest in kleinerem Rahmen sein Häs tragen zu dürfen. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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