09.07.2020

Feierabend

Von Rottweil-Hausen auf die nationalen und internationalen Bühnen des Handballsports: Martin Strobel hat seine beeindruckende Handballkarriere diesen Sommer beendet – wenn auch coronabedingt ohne offizielles Abschiedsspiel. Mit der HIERBLEIBER-Redaktion hat der Ex-Handballer über die Höhepunkte seiner Sportlerkarriere, deren abruptes Ende und über seine berufliche Neuorientierung gesprochen.

Ihre Karriere liest sich sehr spektakulär. Wie kamen Sie denn überhaupt zum Handballsport?
Strobel: Eigentlich war das ganz simpel. In Hausen gab es zu der Zeit keine andere Möglichkeit, im Verein Sport zu treiben. Damals bin ich in den Sportverein eingetreten und dabei geblieben. Also mehr durch Zufall.

Fußball war für Sie also nie ein Thema?
Strobel: Doch, wir haben nur zehn Meter vom Sportplatz entfernt gewohnt und uns dort immer zum Fußball spielen getroffen. In manchen Phasen haben wir wahrscheinlich mehr Fußball gespielt als Handball, aber eher als Hobby.

Sie haben bis Sie volljährig waren hier in der Region gelebt. Gibt es einen Lieblingsort in Rottweil und Umgebung?
Strobel: Ich habe es immer sehr genossen, als ich von Balingen nach Rottweil die Neukircher Steige gefahren bin. Der Blick auf Rottweil war für mich immer ein Nach-Hause-Kommen.

Die Corona-Pandemie bestimmt derzeit unser Leben. Wie haben Sie Ihr dadurch bedingtes abruptes Karriereende verarbeitet?
Strobel: Im Großen und Ganzen bin ich ganz gut damit zurechtgekommen. Ich habe es auch schon kommen sehen. Klar, manche Dinge stellt man sich anders vor, aber wie so oft im Leben gibt es kein perfektes Ende.

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es noch ein Abschiedsspiel gibt nach Corona?
Strobel: Genau; da müssen wir schauen, wie es von den Bedingungen her passt.

Wie muss man sich denn einen typischen Tag als Handball-Profi vorstellen?
Strobel: Zwischen 7 und 8 Uhr aufstehen, dann ab 9.30 Uhr zwei Stunden Training, anschließend Vorbereitung fürs nächste Spiel. Nachmittags hatte ich dann etwas Zeit für die Familie oder mein Studium, bevor es um 16 Uhr wieder zum Trainieren ging. Dazwischen habe ich mir Videos angeschaut, um mich auf den nächsten Gegner vorzubereiten oder war bei der Physiotherapie. Ins Bett bin ich meistens zwischen 22 und 23 Uhr.

Wie empfinden Sie die Umstellung für Ihren Körper vom Hochleistungssport in ein normales Leben?
Strobel: Ich treibe weiterhin Sport. Zwei bis vier Mal pro Woche halte ich mich durch Joggen, Kraft- und Hanteltraining fit. Besonders meine Gelenke möchte ich mobilisieren, die ziemlich in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Was war für Sie die absolute Sternstunde Ihrer Karriere. Und warum?
Strobel: Ganz klar 2016: Der EM-Titel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen und dort das Erreichen der Bronzemedaille. Vom Gefühl her war das eine Entschädigung für die ganze harte Arbeit der vergangenen Jahre. Als absolutes Highlight würde ich auch die WM 2019 mit Spielstätten in Deutschland bezeichnen. In den Hallen herrschte eine gigantische Stimmung.

Bei der WM 2019 verletzten Sie sich schwer am Knie. War das der bitterste Moment Ihrer Karriere?
Strobel: Klar, war es schmerzhaft. Und viele würden sagen, dass es ein schlechter Zeitpunkt war. Den kann ich mir allerdings nie raus­suchen. Das Risiko hatte ich jeden Tag. Es war zwar ein Tiefpunkt, aber ich bin gut damit umgegangen. Rückschläge sind eher, wenn man in letzter Sekunde eine Niederlage einfährt oder eine Qualifikation ganz knapp nicht schafft. Als schwierig empfand ich die kurzfristige Nicht-Berücksichtigung für die Olympischen Spiele 2008.

In welcher Phase Ihrer Karriere wurden Sie in der Öffentlichkeit am meisten von fremden Menschen angesprochen?
Strobel: 2016 nach der Europameisterschaft hat das schon stark zugenommen, vor allem in der Heimat. 2019 nach der Weltmeisterschaft wurde ich auch außerhalb Deutschlands öfter erkannt und angesprochen. Es kam auch schon vor, dass ich in Italien um Autogramme gebeten wurde.

Sie orientieren sich beruflich nun neu. Welche Projekte sind geplant?
Strobel: Ich schreibe gerade noch an meinem Buch, das im Herbst erscheinen soll. Es ist eine Mischung aus Sachbuch und Autobiografie. Generell mache ich mich selbständig zur Entwicklung leistungsstarker Teams. Teams sind meine Leidenschaft. Aufgrund meiner Erfahrungen in Mannschaften voller hervorragender Einzelspieler, habe ich ein Konzept für Teambildung entwickelt, das sich auch außerhalb des Sports anwenden lässt. Ergänzt wird das Ganze durch Erkenntnisse meines Studiums des internationalen Managements.

Gibt es vielleicht irgendwann den Trainer Martin Strobel?
Strobel: Diese Frage bekomme ich öfter gestellt. Bis jetzt nicht. Trainer bin ich eher in dem Sinne, dass ich Menschen in Teams gerne weiterbringen möchte. Ob ich das mit dem sportlichen Aspekt kombiniere und mir Qualifikationen und Lizenzen aneigne, weiß ich noch nicht.

Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen für Ihren beruflichen Neuanfang alles Gute und viel Erfolg!

WERDEGANG

Martin Strobel wuchs gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang im Rottweiler Ortsteil Hausen auf. Nach seinem Abitur am Technischen Gymnasium in Rottweil, studierte er an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen Wirtschaftsingenieurwesen. Strobel entdeckte den Handball schon früh für sich. Erste Trainings absolvierte er beim ortsansässigen SV Hausen. Später folgten Stationen bei den Bundesliga-Erstligisten HBW Balingen-Weilstetten und TBV Lemgo.

Sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft feierte Strobel 2007. Zuvor war er bereits für die Junioren-Nationalmannschaft aktiv, mit der er 2006 die Europameisterschaft gewann und 2007 Vize-Weltmeister wurde. Bei der Handball-WM 2009 in Kroatien erreichte er mit der deutschen Nationalmannschaft Platz fünf. 2016 gewann er mit der Nationalmannschaft in Polen die Europameisterschaft und holte bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die Bronzemedaille. Dafür wurde er mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet.

Bei der WM 2019 verletzte sich Martin Strobel im Hauptrundenspiel gegen Kroatien schwer am Knie und fiel für den Rest des Turniers aus. Im Sommer 2020 beendete er schließlich seine Karriere.

Seit 2016 lebt Strobel mit seiner Familie wieder in der HIERBLEIBER-Region.