22.10.2020

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Bei Marianne Erb begann die Leidenschaft ungefähr vor 30 Jahren. Als die Kinder aus dem Haus waren, fing sie an, den nächtlichen Himmel zu beobachten und interessierte sich für Planeten, Satelliten, Asteroiden und den Mond. Sie steckte ihre Nase in astronomische Fachliteratur und fahndete nächtelang nach „dunklen Ecken“ in der Region, von wo aus der Blick zum Himmel durch kein irdisches Kunstlicht gestört wird („Der lange Berg bei Göllsdorf wäre ideal, wenn es Rottweil nicht gäbe“). Mit der Zeit hatte Marianne Erb nicht nur ihre Plätze, sondern auch Gleichgesinnte gefunden: „2009 bin ich der Astronomischen Vereinigung Rottweil beigetreten.“ Die Mitglieder trafen sich einmal monatlich zum Fachsimplen sowie gelegentlich zu Beobachtungsabenden auf freiem Feld: „Jeder brachte seine mobilen Teleskope mit und dann haben wir gemeinsam ins Universum geblickt.“

Die Faszination „Himmelszelt“ kann die heute 65-Jährige genau erklären: „Wenn ich da hochschaue, fühle ich mich komplett geerdet und alle vermeintlich großen Probleme schrumpfen auf ein Normalmaß. Wir sind in diesem Millionen Jahre alten Universum nur kleine Atome, nur ganz kleine Lichter!“ Vor zehn Jahren schafft sie sich für ihren Garten auf dem Dietinger Wasen eine kleine Sternwarte an. Mit einem 8-Zoll Teleskop und drehbarer Kuppel. Je nach Wetterlage – denn die ist entscheidend für den Blick ins Weltall – wird der Wecker gestellt, um die beste Sicht nicht zu verpassen. Das kann auch schon mal morgens um 4 Uhr sein. Bedauerlicherweise sehen die Astronomen in klaren Winternächten am besten: „Dann ist es natürlich keine gemütliche Angelegenheit. Schöner sind definitiv die lauen Sommernächte.“

Besondere astronomische Momente haben sich in Mariannes Erbs Gedächtnis fest eingebrannt. Ihre erste Sonnenfinsternis via Teleskop vom Gartenstuhl aus, die Entdeckung bestimmter Sternbilder, welche je nach Jahreszeit wandern oder der Flug diverser Kometen. Bei Sternschnuppen denkt die 65-Jährige nicht ans Wünschen („Das ist Voodoo“), sondern an die Entstehung dieses Phänomens: kleine Sternteile durchdringen die Erdatmosphäre, erwärmen sich und verglühen.

2016 wurde Marianne Erb zur Vorsitzenden der Astronomischen Vereinigung Rottweil gewählt. Leider plagen den Verein extreme Nachwuchssorgen. Vor einigen Wochen wurde daher die Auflösung beschlossen. Junge Leute in der Region haben offensichtlich weder Zeit, noch Muße und möglicherweise auch nicht das nötige Kleingeld, um sich mit den Gestirnen und dem Weltall zu beschäftigen. So kostet eine Einsteiger-Ausrüstung bereits rund 2.000 Euro. Die örtlichen Hobby-Astronomen bedauern die Vereinsauflösung zwar, spätestens beim nächtlichen Blick in die Sterne aber verwandelt sich auch dieser Vorgang in ein Staubkorn der Geschichte…