22.10.2020

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Schnarchen ist doof. Es stört die Mitschläfer und ist alles andere als gesund. Wer schnarcht, schläft oft nicht gut oder leidet sogar an Schlafstörungen. Schnarchen kann sogar mit kurzen wiederkehrenden Atemstillständen einhergehen, ohne dass der Schnarcher davon etwas bemerkt. Ist dies der Fall sprechen Lungenfachärzte von einer „Schlafapnoe“, einer schlafbezogenen Atemstörung. Um dieses Krankheitsbild festzustellen und zu heilen, betreiben Dr. Jürgen Mayer, Dr. Joachim Weber und Moritz Böttger im Spaichinger Gesundheitszentrum ein Schlaflabor. Nacht für Nacht wird der Schlaf von gleichzeitig zwölf Patienten exakt überwacht und dokumentiert.

Dieser Aufwand ist gerechtfertigt, wie Dr. Jürgen Mayer erklärt: „Bei der Schlafapnoe sind Kombinationen mit Übergewicht sowie Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, als Folge- oder Begleiterkrankungen, häufig. Die Betroffenen sind im Schlaf erheblichem Stress ausgesetzt. Der Körper ist durch den Sauerstoffmangel ständig im Alarmzustand und schüttet vermehrt Stresshormone aus. Der Schlaf wird leichter, irgendwann hat man kaum noch Tiefschlafphasen. Bluthochdruck, ein hohes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle sind die Folge. Beim nächtlichen Luftanhalten können sogar Nervenzellen absterben. “ Viele Betroffene seien tagsüber sehr müde und könnten sich schlecht konzentrieren. Schlägt der Partner nicht Alarm, sind diese Symptome oft der einzige Hinweis auf die Erkrankung.

Besteht der Verdacht auf Schlafapnoe, bekommt der Patient zunächst ein kleines mobiles Messgerät mit nach Hause. Es zeichnet nachts die Sauerstoffwerte, das Schnarchen und die die Atmung auf. Erst wenn nach Auswertung der Ergebnisse der Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Schlafapnoe besteht, werden zwei bis drei Nächte im Schlaflabor erforderlich. Dort wartet eine geniale Erfindung auf die Patienten: die sogenannte „CPAP-Beatmung“ (Continuous Positive Airway Pressure). Diese Überdruckbeatmung bewirkt eine deutliche Reduzierung der nächtlichen Atemaussetzer. Die CPAP-Maske überträgt den Beatmungsdruck aus dem CPAP-Gerät auf die Atemwege des Anwenders. Es handelt sich um ein kleines Überdruckgerät, das normale Raumluft verabreicht und so die ursächliche Enge im Rachenraum überwindet. Somit hört auch das Schnarchen auf und auch der Partner profitiert.

„Die Schlafapnoe ist eine Volkskrankheit wie Diabetes“, erklärt Mayer. Männer ab 30 und Frauen ab den Wechseljahren bilden die Mehrzahl an Betroffenen. Als Hauptverstärker wirken Übergewicht, ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und Alkohol. Täglich von 16 bis 19 Uhr bietet das Schlaflabor eine ambulante Kontrollsprechstunde für Menschen, die bereits jede Nacht eine Überdruck-Maske tragen.
In Deutschland sind derzeit mehr als eine Million CPAP-Masken im Einsatz: „Am Anfang ist es natürlich gewöhnungsbedürftig, aber nach wenigen Wochen klappt es in der Regel problemlos.“ Der Schlaf wird erholsamer und die körperliche Fitness nimmt zu. Auch eine Suchtgefahr besteht keine: „Es lässt sich mit einer Brille vergleichen.“ Die Kosten für die Apparatur übernehmen die Krankenkassen.

Mit Diagnostik und Behandlung der Schlafapnoe beschäftigen sich erstmals amerikanische Wissenschaftler Ende der 1970er Jahre. In Deutschland gehört Jürgen Mayer Anfang der 1980er Jahre an der Universität Marburg zu den Pionieren, die rund um diese Krankheit forschen. Bald zeichnet sich ab, dass sie medikamentös nicht zu behandeln ist. Das Interesse ist deshalb groß, als auf Fachkongressen in den USA die ersten CPAP-Masken vorgestellt werden: „Wir wollten unbedingt so ein Exemplar haben. Damals war die ganze Apparatur so groß wie ein Nachttisch. Heute passt sie in einen Kinderschuhkarton.“

Das Schlaflabor in Spaichingen verfügt über 12 Betten. Es gibt Wartelisten. Zwar existieren in Deutschland mittlerweile zahlreiche Schlaflabore, die von Lungenfachärzten oder HNO-Ärzten betrieben werden, dennoch sind die Einzugsgebiete umfangreich: „Zu uns kommen Patienten von Villingen-Schwenningen bis Balingen und von Rottweil bis Sigmaringen.“ Weitere Labore gibt es in Singen,
St. Blasien oder Stuttgart.

Ab 19.30 Uhr beginnen die Vorbereitungen für die Nacht. Die Patienten in den zwölf Zimmern werden verkabelt und somit an die Überwachungsgeräte angeschlossen. Obwohl jede Räumlichkeit mit Dusche, WC und einem Fernseher ausgestattet ist, schläft nicht jeder Übernachtungsgast so gut wie in einem Hotel: „Die Bandbreite ist groß. Manche schlafen sehr gut, andere weniger und ganz selten behelfen wir uns mit einem leichten Schlafmittel.“ Abbrüche gebe es so gut wie nie, „da ist der Leidensdruck zu hoch.“