10.01.2022

Wasser für den Kopf

Hans-Peter Rieble – Friseur aus Dietingen

Ganz ohne Wasser kann auch Hans-Peter Rieble seinen Beruf nicht ausüben: „Wir könnten trocken Haare schneiden, aber das war es dann auch schon.“ Dauerwellen, Strähnchen, Farbe, Pflege – das alles lässt sich ohne Wasser nicht verwirklichen. Selbst das obligatorische Bestäuben mit Wasser vor dem Schnitt wäre unmöglich. Geschweige denn die coronabedingte Nass-Reinigung des Friseurstuhles. In seinen bislang 37 Berufsjahren saß der Friseurmeister aus Dietingen gottlob noch nie auf dem Trockenen. Im Gegenteil: der Wasserverbrauch in Friseursalons ist während der vergangenen Jahrzehnte stetig gestiegen. Längst hat der „Wellness- und Wohlfühl-Gedanke“ auch Einzug ins Friseurhandwerk gehalten: „Wir waschen die Haare zu Beginn immer zwei Mal. Dies ist ein Teil unserer Dienstleistung. Der Kunde soll das Gefühl bekommen, dass er für sein Geld auch ein wenig verwöhnt wird und nicht nur einen Haarschnitt erhält.“

Dass „verwöhnt werden“ auch gewöhnungsbedürftig sein kann, offenbarten die Corona-Vorgaben. So manch älterer Herr erlebte es zum ersten Mal in seinem Leben, dass ihm die Haare gewaschen wurden. Vorschrift ist Vorschrift. Und auf diese achtet Hans-Peter Rieble ganz genau, denn der 61-Jährige erinnert sich nur sehr ungern an die vergangenen Lockdowns: „Das erste Mal bedeutete es sechs Wochen, das zweite Mal zehn Wochen Schließzeit für uns. Es war furchtbar. Ich bin trotzdem jeden Tag in den leeren Salon gegangen. Daheim habe ich es nicht ausgehalten.“

Der Dietinger liebt seinen Beruf. Als Geselle hatte er 1975 zum ersten Mal eine Schere in die Hand genommen und sie seitdem nicht mehr weggelegt: „Mir gefällt es, die Menschen zu beraten und da sich die Frisuren-Trends ändern, gibt es auch ständig neue Herausforderungen.“ Haarmoden kommen, gehen und kommen wieder. Hans-Peter Rieble war bei unzähligen Veranstaltungen der Innung oder von verschiedenen Firmen zugegen, wenn es darum ging, neue Trends kennenzulernen. Kreiert von Starfriseuren im In- und Ausland.

Die legendären Fotobücher zur Frisurenauswahl gibt es übrigens immer noch, auch im Zeitalter der Digitalisierung. Und natürlich spielt auch die berühmt-berüchtigte Dauerwelle noch eine Rolle. Zwar immer weniger für die Damenwelt („Frau trägt heute überwiegend glatt“), dafür lassen sich zahlreiche junge Männer für 55 Euro den Oberkopf locken („Krause“).

1984 wagte Rieble in seinem Heimatort den Schritt in die Selbständigkeit und hat es bislang nicht bereut: „Als ich anfing, waren die Leute hier sehr dankbar, denn es hatte Jahrzehnte keinen Friseur mehr im Ort gegeben.“ Generationen von Dietingern, aber auch treue Kunden aus dem Umland ließen und lassen sich von dem Friseurmeister frisieren. Darunter berühmte Köpfe wie der Fußballer Sebastian Rudy, der als kleiner Junge regelmäßig einen schicken und sportaffinen Haarschnitt erhielt. Da man sich in einem Dorf größtenteils kennt, stellt es für den 61-Jährigen kein Problem dar, Gesprächsthemen zu finden, um den Aufenthalt so kurzweilig wie möglich zu gestalten: „Klar weiß man meistens, ob jemand kickt, Mitglied im Musikverein ist oder im Kirchenchor singt.“

Trotz neuer Konkurrenz wie etwa die zahlreichen „Barbershops“ für Männer, macht er sich keine Sorgen wegen nachlassender Kundennachfrage: „Ein Computer kann uns nicht ersetzen und die Leute können zwar viel, aber nicht alles selber machen.“ Problematisch sei eher der in vielen handwerklichen Berufen fehlende Nachwuchs: „Diesbezüglich habe ich ein großes Glück mit zwei ausgebildeten Mitarbeiterinnen, mit denen ich ein tolles Team bilde…“