10.01.2022

Lebensbrunnen

Zur Geschichte der Rottweiler Trinkwasserversorgung

Was den Beginn der Besiedlungsgeschichte von Rottweil anbelangt, lassen sich knapp 40 römische Brunnen nachweisen. Vermutlich wurde zusätzlich Quellwasser in die Stadt geleitet. Die Römer nutzten bereits weit entwickelte Be- und Entwässerungssysteme. Dieses Wissen ging im Mittelalter wieder verloren. Wasser wurde innerhalb der Stadtmauern nahezu ausschließlich aus zisternenartigen Hausbrunnen bezogen. Die Rottweiler Hanglage ermöglichte die Nutzung unterirdischer Wasserströme. Diese Ziehbrunnen in den Kellerräumen hatten nicht selten eine Tiefe von zehn Metern und mehr.

Durch eine immer intensivere Bebauung sank jedoch die Qualität des Wassers rapide. Fäkalien, Abfälle und Kadaver entsorgte man in Sickergruben, was eine starke Verschmutzung des Grundwassers nach sich zog. Bereits im 14. Jahrhundert bezogen die Rottweiler deshalb Wasser aus Brunnenstuben außerhalb der Stadt über sogenannte hölzerne und tönerne „Deichelleitungen“. Die Leitungen mündeten in zahlreiche öffentliche Schöpfbrunnen. Ob Haushalte, Badstuben, Brauereien, Handwerker oder kleine Leute, alle sollten Zugriff auf Trink- und Nutzwasser haben.

Ende des 16. Jahrhunderts lassen sich knapp 50 solcher Brunnen im erweiterten Stadtgebiet und knapp 3.000 Deicheln mit einer Länge von rund sechs Metern nachweisen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verzeichneten die Ratsprotokolle immerhin noch 28 öffentliche Brunnen und knapp 8.000 Deicheln, welche die Stadt unterhalten musste. Sogenannte „Brunnenmeister“ und „Brunnenknechte“ hatten die Aufgabe, die Brunnen und Deichelleitungen während allen Jahreszeiten sauber und funktionsfähig zu halten.

Dass dies kein leichtes Unterfangen war, bezeugen zahlreiche Quellen. Brunnen wurden verbotenerweise zur Entsorgung von Abfällen oder zum Wäschewaschen benutzt. Bürgersleute tränkten teilweise das Vieh an den für Menschen vorbehaltenen Brunnen, obwohl es spezielle Brunnen für Tiere gab. Zahlreiche Handwerker wie Sattler, Kürschner, Biersieder oder Gerber nutzten teilweise die Brunnen so intensiv, dass zu wenig Wasser für die Bevölkerung übrig blieb. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Kutschen und Pferde an den öffentlichen Brunnen gewaschen. 1874 erstellte die Stadt deshalb einen neuen Brunnen, an dem gegen Gebühr die Gefährte gereinigt werden konnten. Der letzte städtische Brunnenmeister wirkte bis zu seinem Unfalltod im Jahr 1926.

Langsam verbreitete sich die wissenschaftlich belegte Erkenntnis, dass verunreinigtes Trinkwasser für die Verbreitung von Krankheiten verantwortlich war. In den Jahren 1873 und 1874 wurde deshalb die Rottweiler Wasserversorgung endlich modernisiert. Man nutzte eine Quelle im Brunnentäle. Das Wasser wurde mit einer Dampfpumpenanlage, die man 1886 auf Gas umstellte, über fast hundert Meter Höhenunterschied in eine Wasserkammer am Hochturm gepumpt und von dort verteilt. Die Kammer fasste rund 500 Kubikmeter Wasser. 25 öffentliche und rund 250 private Gebäude erhielten fortan durch Rohre aus Gußeisen das kostbare Nass. Die Stadt erhob erstmals einen Wasserzins.

Die zahlreichen Brunnen jedoch hatten damit nach vielen Jahrhunderten ausgedient. Reihenweise ließ man Brunnensäulen aus Sandstein abtransportieren. In vielen Fällen war es den Bestrebungen des Geschichts- und Altertumsvereins im 20. Jahrhunderten zu verdanken, dass heute zahlreiche Brunnen in Rottweil wieder zu bewundern sind.

1916 musste die städtische Wasserquelle gewechselt werden, da die Quelle im Brunnentäle von der Pulverfabrik benötigt wurde. Die Wahl fiel auf die Straubeleswald-Quelle im Eschachtal. Im gleichen Jahr ließ man in der Au die erste Kläranlage errichten. Mit der wachsenden Einwohnerzahl stieß die Quelle im Straubeleswald jedoch bald an ihre Grenzen, sodass 1958 die Stadt Rottweil einen Anschluss an die Bodenseewasserversorgung beauftragte. Da das Bevölkerungswachstum in den folgenden Jahren anhielt, musste Ende der 1960er Jahre nicht nur das Leitungsnetz deutlich erweitert, sondern auch 1970 bis 1974 der Wasserturm auf der Charlottenhöhe errichtet werden. Anders war der erforderliche Wasserdruck aufgrund der starken Höhenunterschiede nicht mehr herzustellen.

2015 wurde der Rottweiler Wasserturm nach über 40 Jahren vom Trinkwassernetz abgekoppelt. Aufwendigere Technik sowie hohe Energiekosten machten den Betrieb des Bauwerks nicht mehr wirtschaftlich. Wie alle anderen Haushalte in Kern- und Altstadt bekommen seitdem auch die Anschlüsse auf der Charlottenhöhe eine Mischung aus Wasser der stadteigenen Quelle im Eschachtal sowie Bodenseewasser. Möglich machte dies eine neue Druckregelanlage im Hochbehälter Zimmern, welche die Aufgabe des Rottweiler Wasserturms übernahm. Der Rottweiler Wasserturm wurde an einen regionalen IT-Dienstleister verkauft.

Quellen:
Winfried Hecht: Rottweiler Brunnen. Rottweil 2009.
Winfried Hecht: Rottweil 1802 bis 1970. Von der Reichsstadt zur Großen Kreisstadt. Rottweil 1997.

DER WASSERMANN AUS ROTTWEIL

Der Rottweiler Hans Mathauer (1912-1994) arbeitete als Installateur bei den Rottweiler Stadtwerken (heute „ENRW“). Wie kein Zweiter kannte er sich mit den unterirdischen Wasserquellen und einstigen Brunnen der ehemaligen Reichsstadt aus. In seiner 1977 verfassten Abhandlung „Brunnen und Quellen in und um Rottweil“ beschreibt er auf acht Seiten minutiös welche Quellen wie verlaufen und welchen Brunnen und welches Haus sie einst versorgten. Nebenberuflich spürte er mit der Wünschelrute gekonnt weitere Wasseradern auf.

Bild 3: Hans Mathauer - Stadtarchiv Rottweil