10.01.2022

Löschwasser

Stadtbrandmeister Frank Müller, Patrick Jäger, Markus Müller, Thomas Müller und Sebastian Votteler – Feuerwehrleute aus Rottweil

Karl-Heinz, wohnhaft in einem Rottweiler Teilort, freut sich auf seine samstägliche Morgendusche. Von Kopf bis Fuß eingeseift möchte er sich abduschen. Doch statt einem kräftigen Wasserstrahl fließt lediglich ein mickriges Rinnsal durch die Brause. Was Karl-Heinz noch nicht weiß: Die Feuerwehrabteilung übt unmittelbar vor seiner Wohnung und hat sich mittels Hydrant ans örtliche Trinkwassernetz angedockt. „Bei größeren Bränden und auch bei Übungen kann es durchaus vorkommen, dass die umliegenden Gebäude kurzzeitig kein Wasser mehr haben“, erklärt Stadtbrandmeister Frank Müller.

Bei Löscharbeiten bildet Wasser zu 95 Prozent die Hauptlöschquelle, Schaum wird nur beim Löschen von Flüssigkeiten und bei besonders unzulänglichen Brandstellen beigemischt. Durch seine kühlende Eigenschaft und die hohe Verfügbarkeit ist Wasser alternativlos. Trinkwasserknappheit – die bisher glücklicherweise noch nicht vorgekommen ist – würde der Feuerwehr massive Probleme bereiten.

Je nach Strahlrohr und Art des Schlauchs schießen zwischen 100 Liter und 800 Liter pro Minute mit einem Druck von sechs bar durch die Schläuche. Beim Wasserwerfer sind es sogar bis zu 2000 Liter. Woher aber kommen diese enormen Wassermengen? Die Tanklöschfahrzeuge sind mit Tanks ausgerüstet, die ein Volumen zwischen 2.000 („reicht für einen herkömmlichen Pkw-Brand“) und 5.500 Liter fassen. „Damit können wir den ersten Bedarf vor Ort abdecken“, erläutert Müller. Bei Ankunft am Brandort machen die Gruppenführer der Löschfahrzeuge sofort Hydranten ausfindig, über die sie die Wasserversorgung sicherstellen. In Rottweil und Ortsteilen befinden sich überwiegend Unterflurhydranten, die unterirdisch liegen und nur durch Hydrantenschilder zu finden sind.

Die kleinen weißen, rot umrandeten Schilder an Straßenlaternen, die mit schwarzen Zahlen versehen sind. Für Laien muten sie wie Hieroglyphen an, für die Feuerwehrleute aber sind sie der Schlüssel zum dringend benötigten Löschwasser. Sie geben nämlich sowohl Auskunft darüber, wo sich der Hydrant befindet, als auch wie viel Wasser er pro Minute liefert. Sowohl Schilder als auch die Pläne des Hydranten-Netzes pflegt übrigens die ENRW und stellt sie der Feuerwehr am Jahresanfang aktualisiert zur Verfügung.

Müller, ein Verfechter der oberirdischen Hydranten („Überflurhydranten“), setzt sich dafür ein, mehr davon im Rottweiler Stadtgebiet zu errichten. Denn im Notfall zählt jede Sekunde: „Wir können den Schlauch direkt anschließen, müssen nicht erst mühsam suchen. Bei schneebedeckter Fahrbahn sind die Hydrantendeckel kaum auffindbar und wenn ein Auto darauf parkt, ist es ohnehin vorbei.“ Wenn es die Situation erfordert, habe die Wehr auch schon Wasser aus dem Neckar angesogen. Allerdings sei es aufwendig, dieses in die Stadt hochzupumpen.

Was aber, wenn weit und breit keine Hydranten oder natürlichen Gewässer zu finden sind? Bei Außengehöften ist teilweise sogar vorgeschrieben, dass diese einen Löschteich oder einen Tank mit Löschwasser vorhalten müssen. Brennt es im Wald, sieht es anders aus. Zum Glück konnten die bisherigen Waldbrände durch schnelles Alarmieren aufmerksamer Spaziergänger oder Waldarbeiter zügig unter Kontrolle gebracht werden. Doch Müller rechnet damit, dass Waldbrände aufgrund der Dürreperioden zunehmen werden. Dann wird entweder zum nächstliegenden Hydranten eine Schlauchleitung aufgebaut oder aber es wird ein Pendelverkehr eingerichtet. Heißt, ein Löschfahrzeug stellt am nächsten Hydranten eine Schlauchleitung, wird befüllt und fährt wieder zum Einsatzort. Währenddessen startet ein weiteres Fahrzeug zum Hydranten, um ebenfalls aufzutanken. Dasselbe Prozedere wird durchgeführt, wenn ein LKW auf der Autobahn in Flammen aufgeht. Dort sind Hydranten nämlich auch Fehlanzeige und das Wasser in den Tanklöschfahrzeugen kann knapp werden.

Ist der Brand gelöscht, sucht sich das kontaminierte Wasser seinen Weg in die Kanalisation und tritt früher oder später in der entsprechenden Kläranlage zu Tage. „Wir informieren während eines Brands die Mitarbeiter der Kläranlage, dass in nächster Zeit Löschwasser kommt“, erklärt der Stadtbrandmeister. Für Markus Müller, Teamleiter der Rottweiler Kläranlage und selbst Feuerwehrmann, und seine Kollegen ist wichtig zu wissen, mit welcher Menge an Wasser zu rechnen ist und ob Schaum eingesetzt wurde. So können frühzeitig entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. „Entscheidend ist, dass wir die Zulaufwerte regelmäßig prüfen,“ erklärt Müller. Wenn möglich werde versucht, stark verunreinigtes Wasser bereits unterwegs in einem separaten Becken abzufangen.

Umweltschutz wird auch bei der Feuerwehr großgeschrieben. Seit kurzem sind alle zehn Löschfahrzeuge mit sogenannten Systemtrennern ausgestattet. Diese Vorrichtung wird zwischen Hydrant und Fahrzeug montiert. Sobald der Systemtrenner einen Druckunterschied des Wassers erkennt, schließt er vollautomatisch. Dadurch wird verhindert, dass Wasser, das möglicherweise bereits verschmutzt ist, wieder zurück ins Leitungsnetz gedrückt oder gesaugt wird und so das Trinkwasser verunreinigt. Ebenso werden durch die neuen Geräte Druckstöße auf das empfindliche Leitungsnetz vermieden.

Auch der Schutz seiner Mannschaft - 260 Aktive zählt die Gesamtwehr - hat für den Stadtbrandmeister höchste Priorität. „Die Einsatzhygiene nimmt einen immer größeren Stellenwert ein“, informiert er. Deswegen ziehen sich Feuerwehrleute, die an vorderster Front tätig waren, bereits am Einsatzort um. Je nach Art der verbrannten Stoffe ist die Einsatzkleidung mit giftigen Rußpartikeln behaftet. Kontaminierte Kleidung wird vor Ort mit Wasser grob gereinigt, sofort luftdicht verschlossen und vom hauptamtlichen Gerätewart unter Atemschutz in einer eigens dafür vorgesehenen Waschmaschine gereinigt. Dasselbe gilt für Schläuche. So wenig Schadstoffe wie möglich sollen von der Einsatzstelle ins Feuerwehrhaus respektive ins häusliche Umfeld gelangen.

Pro Jahr rücken die Rottweiler Feuerwehrleute im Schnitt 350 bis 400 Mal aus. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die Wehren freiwillig arbeiten – lediglich Stadtbrandmeister und Gerätewart sind hauptamtlich tätig. „Ohne die sechs Abteilungen in den Rottweiler Teilorten wäre dieses Pensum nicht leistbar. Zumal eine gesetzliche Hilfsfrist eingehalten werden muss“, betont Müller. Nur zehn Minuten dürfen von der Alarmierung bis zum Eintreffen des ersten Einsatztrupps am Unglücksort vergehen. Zuträglich hierfür ist auch, dass Arbeitgeber wie die ENRW Feuerwehrangehörige tagsüber ausrücken lassen.

In erster Linie wird die Feuerwehr mit dem Löschen von Bränden in Verbindung gebracht. Brandeinsätze nehmen glücklicherweise jedoch ab. Stattdessen wird die Feuerwehr vermehrt zu technischen Hilfeleistungen gerufen: Türöffnungen, Personenrettungen für den Rettungsdienst, Wasser in Kellerräumen oder die berühmte Katze auf dem Baum.

Dass die Feuerwehr zweifelsfrei ein spannendes, aber zugleich auch zeitintensives Hobby ist, weiß Müller aus seiner über 30-jährigen Erfahrung als aktiver Feuerwehrmann. Viele Feuerwehrleute brennen sprichwörtlich für ihr Hobby und investieren gerne mehrere Abende dafür. An Nachwuchs mangelt es der Wehr derzeit nicht. Insgesamt 94 Kinder zwischen sechs und zehn Jahren sowie Jugendliche ab elf Jahren treffen sich regelmäßig in der Kinder- und Jugendfeuerwehr und freuen sich über neue Gesichter. Auch die rührige Altersabteilung ist immer zur Stelle, „wenn es klemmt“ und unterstützt beispielsweise den Gerätewart nach einem Einsatz beim Aufräumen.