10.01.2022

Brauwasser

Rolf Schittenhelm – Bierbrauer aus Flözlingen

Wasser wird zu edlem Tropfen, versetzt man es mit Malz und Hopfen!“ Braumeister Rolf Schittenhelm aus Zimmern-Flözlingen könnte ohne Wasser seinen Beruf nicht ausüben. Und da er auch noch im In- und Ausland Brauereien beim Bau neuer Anlagen berät, schätzt der 53-Jährige das Trinkwasser in Deutschland ganz besonders: „Ich bin viel rumgekommen weltweit und es ist nicht selbstverständlich, ein solch hochwertiges Wasser vorzufinden.“ Bierbrauer haben einen sehr hohen Anspruch ans Wasser, besteht doch Bier zu 90 Prozent aus dem kostbaren Nass. Doch Wasser ist nicht gleich Wasser: „Mit destilliertem Wasser lässt sich kein gutes Bier brauen. Es fehlen die Salze, die Mineralien und Nährstoffe. Für Pils beispielsweise ist weicheres Wasser besser, für normales Bier eher härteres Wasser.“

Als Segen erwies sich dabei das von Herzog Wilhelm IV. von Ingolstadt im Jahr 1516 erlassene deutsche Reinheitsgebot fürs Bier. Dieses besagt, dass als Grundstoffe ausschließlich Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden dürfen. Deutsches Bier entwickelte sich deshalb bis heute zu einem internationalen Markenzeichen: „Überall auf der Welt kennt man Mercedes, das Oktoberfest und deutsches Bier.“ Für Schittenhelm ist daher unverständlich, wie billig es in Deutschland verkauft wird: „Beim Autokauf oder Skiurlaub werden Preissteigerungen klaglos hingenommen. Wenn aber Brot, Wurst oder Bier um fünf Cent teurer werden, gibt es eine Revolution.“

Rolf Schittenhelm wurde das Bierbrauen definitiv in die Wiege gelegt. Als Inhaber des Gasthauses Hirsch in Flözlingen war dieser Berufsweg vorgezeichnet, zumal als einziger männlicher Nachkomme: „Meine Familie betreibt das Gasthaus nachweislich seit 1793, möglicherweise noch länger.“ Selbst ein Brand im Jahr 1920, bei dem große Teile des Gebäudes zerstört wurden, konnte diese Tradition nicht unterbrech-en: „Die Brauerei war nicht betroffen und den Rest haben mein Urgroßvater und mein Großvater wieder aufgebaut.“ Schittenhelm absolvierte nach der Schule eine Lehre in der Dunninger Wehle-Brauerei, schloss gleich die Meisterschule an und konnte sich 1990 mit dem Titel „jüngster Braumeister Deutschlands“ schmücken.

Nur ein Jahr später übernahm er im Alter von 23 Jahren den „Hirsch“ und steuert das Gasthaus seitdem durch Höhen und Tiefen. Die zeitweise kleinste gewerbliche Brauerei Deutschlands hatte es nicht immer leicht: „Seit rund 15 Jahren profitieren wir vom Trend ‚Zurück zum Regionalen‘. Vorher zogen wir oft gegen die Großbrauereien den Kürzeren. Da galt der Prophet im eigenen Land nur wenig.“ Die Menschen ließen sich damals von der TV-Werbung inspirieren und feierten mit fremdem Bier. Heute braut Schittenhelm regelmäßig „Jubiläumsbiere“ für die örtlichen Vereine und ist auch sonst sehr gut im Geschäft: „Ich könnte wachsen, möchte es aber gar nicht. Schuster bleibe bei Deinem Leisten!“ Vier Hauptsorten werden in der Hirschbrauerei gebraut: ein helles Spezial, ein dunkles Bockbier, ein Hefeweizen und ein halb-dunkles Bier.

Als Ein-Mann-Betrieb mit Lehrling möchte sich der Flözlinger nicht übernehmen. Stolz erzählt er von seinen Auszubildenden: „Ich hatte einen Lehrling aus Brasilien, der nun in Brasilien eine eigene Brauerei betreibt und einen Lehrling aus Australien, der als zweiter Kammersieger derzeit die Meisterschule besucht. Irgendwann wird er in Australien eine Brau-erei aufbauen.“ Auf die Unterstützung Schittenhelms müssen die beiden auch nach der Ausbildung nicht verzichten. Als international gefragter Berater ist ihm in Sachen Bier kein Weg zu weit: „Ich war schon in Russland, China, Kanada, Thailand oder Belgien.“ Deutsches Bier-Know-how ist weltweit gefragt. Doch seine Wurzeln in Flözlingen möchte der 53-Jährige nicht kappen: „Angebote gab es genug, aber ich liebe meine Heimat. Außerdem bin ich das meinen Vorfahren schuldig. Die schauen mir sicher vom Himmel aus zu und sind hoffentlich zufrieden. Geld könnte ich anders deutlich leichter verdienen, aber das hier ist Tradition.“ Dies bestätigt sich beim Gang durch die kleine Brauerei. Viele Apparaturen und Geräte reichen zurück ins 19. Jahrhundert – und funktionieren tadellos: „Die Leute früher waren auch nicht auf den Kopf gefallen.“

Die aktuelle Pandemie bedeutet allerdings kein Zuckerschleck-en für den Gastronom und Braumeister. Als „Mischbetrieb“ fiel der Hirsch zunächst durch sämtliche finanziellen Hilfsraster. Immerhin: „Unsere Kunden und Gäste halten zu uns.“ Fast 75 Prozent des Bieres wird normalerweise im Gasthaus verkauft. Keine leichte Situation, doch aufgeben ist keine Option: „Ein über 200 Jahre altes Unternehmen lässt sich auch von Corona nicht unterkriegen.“