07.01.2020

08:02 Uhr

Es duftet einfach himmlisch. Als ob man ein Wiener Kaffeehaus betritt. Das Aroma frisch gerösteter Kaffeebohnen liegt in der Luft. Kaffee – der Wachmacher schlechthin. Für viele beim Start in den Tag nicht mehr wegzudenken. Ob klassischer Filterkaffee, Cappuccino mit leckerem Milchschaum oder ein starker Espresso – Kaffee ist absolut vielfältig und nicht ohne Grund das beliebteste Getränk der Deutschen.

Wir befinden uns in der Kaffeerösterei in Schramberg-Waldmössingen, welche die Lebenshilfe im Kreis Rottweil betreibt. „Kaffee ist ein Produkt, das Menschen verbindet“, sagt Marika Kittsteiner, Gruppenleiterin der Arbeitsgruppe „Rösterei“. In der gemeinnützigen Einrichtung arbeiten Menschen mit und ohne Handicap Hand in Hand. Die Rehabilitation geistig und mehrfach behinderter Menschen steht im Vordergrund: „Wir fördern unsere Beschäftigten nach ihren individuellen Stärken“, erklärt Markus Ettwein, Werkstattleiter der Lebenshilfe.

Rund sieben Menschen mit Handicap und vier Mitarbeiter sind an den Arbeitsabläufen in der Rösterei beteiligt: Von der Anlieferung des Rohkaffees über die Auftragsannahme und Kommissionierung bis hin zur Auslieferung und dem Verkauf. Eine besonders hohe Motivation zeichnet die Mitarbeiter aus: „Meistens kommen sie morgens mit einem breiten Lächeln zur Arbeit“, berichtet Ettwein.

Seit neun Jahren wird in Waldmössingen Kaffee geröstet. Dass sich die Rösterei zu einem echten Erfolgsprojekt entwickelt, hätte zu Beginn niemand erwartet. Doch die hochwertige Qualität begeistert viele Kunden, und die Nachfrage steigt kontinuierlich.

Bei der Produktqualität macht Ettwein keine Abstriche: „Wir legen besonderen Wert darauf, dass unser Kaffee ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig angebaut wird.“ Daher beschränkt die Lebenshilfe sich auf drei Lieferanten aus Hamburg, dem wichtigsten europäischen Umschlagplatz für Rohkaffee.

In Waldmössingen angekommen, steht die Röstung der zunächst hellgrünen Bio-Bohnen in der Regel dienstags und mittwochs auf dem Programm. Ein halbautomatisches Trommelröstverfahren sorgt dafür, dass sie bis auf 220 Grad Celsius erhitzt wer- den. In den rohen Bohnen sind bereits Geschmacksaromen enthalten. „Doch erst durch das jeweilige Röstverfahren entfalten sich diese und werden so verfei- nert“, sagt Marika Kittsteiner. Pro Röstung fasst die Trommel zwölf Kilo Rohkaffee. Insgesamt entstehen 15 verschiedene Kaffeesorten: Reinsorten, Espressi und Hausmischungen, die aus verschiedenen Roh- kaffees in festgelegten Mengen gemischt werden.

Nach dem schonenden Röstvorgang, der in der kleinen Manufaktur zwischen 15 und 18 Minuten dauert – in der Industrie wird deutlich kürzer geröstet – , wandern die nun braunen Bohnen ins Kühlsieb. Anschließend gasen sie bis zu 48 Stunden aus.

Zwei Beschäftige der Lebenshilfe füllen die abgekühlten Bohnen oder den bereits gemahlenen Kaffee exakt ab, etikettieren die Verpackungen und verschweißen sie. „Uns ist es wichtig, dass wir die Menschen sinnvoll in Arbeitsabläufe einbinden und ihnen eine eigenständige Arbeitsweise ermöglichen“, betont Ettwein. Die Kaffeerösterei ist damit ein Paradebeispiel für gelungene Inklusion und Teilhabe.

ERHÄLTLICH IST DIE KÖSTLICHKEIT:
  • in Waldmössingen, Im Webertal 12
  • im Rösterei-Café der Lebenshilfe, Sprengergasse 2 in Rottweil
  • im Unverpackt-Laden in Zimmern
  • in den EDEKA Märkten in Schramberg-Sulgen, Dunningen und Winzeln
KONTAKT

Rösterei der Lebenshilfe
im Kreis Rottweil gGmbH
Im Webertal 12
78713 Schramberg-Waldmössingen
Telefon 07402/904-143
E-Mail: roesterei(at)lh-rw.de

ÜBRIGENS:

Der Nachhaltigkeitsgedanke setzt sich künftig bei der Verpackung fort. Ab 2020 werden dafür ausschließlich ökologisch abbaubare Materialen verwendet. Für Gruppen bietet die Lebenshilfe Kaffeeseminare mit Röstvorführung an. Außerdem betreibt sie ein Kaffeemobil, das häufig für Veranstaltungen gebucht wird. Und auch die nächste Geschäftsidee ist schon geboren: Marika Kittsteiner möchte die bunt bedruckten Säcke, in denen die Bohnen angeliefert werden, wiederverwerten: „Wir produzieren daraus Taschen, Hüte und Untersetzer, die wir zum Verkauf anbieten möchten“, verrät sie.



Die Geschichte des Kaffees

Der Begriff „Kaffee“ leitet sich vom arabischen „Kahwe“ oder „Qahwa“ ab, was so viel wie „Lebenskraft“ oder „Stärke“ bedeutet. Der Ursprung des Kaffeeanbaus ist historisch nicht dokumentiert. Vieles stützt sich auf Legenden und Mythen. Als Ursprungsgebiet der Art „Coffea Arabica“ gilt jedoch das äthiopische Hochland. Die Sorte „Robusta“ findet sich wildwachsend vorrangig in Uganda fast unmittelbar am Äquator. Fest steht, dass die Pflanzengattung Coffea erst durch menschliches Zutun von Afrika aus auf andere Kontinente gelangt ist.

 

Kaffee kommt nach Deutschland
Mit dem Beginn der Industrialisierung wurde Kaffee ein Getränk für die gesamte Bevölkerung. Zunächst lediglich für wohlhabende Bürger erschwinglich, tranken das Heißgetränk bald auch ärmere Schichten. Der Bevölkerung diente Kaffee als eine Art Nahrungsersatz in Form einer Kaffeesuppe, in die Brotstücke eingeweicht wurden.

 

Kaffee von 1850 bis heute:

1850: Kaffee erreicht alle Bevölkerungsschichten in Deutschland.

1901: Der Japaner Dr. Sartori Kato erfindet den löslichen Kaffee, der ab 1938 vertrieben wird und auch nach Deutschland gelangt.

1905: Dem Bremer Ludwig Roselius gelingt es, Kaffee das Koffein zu entziehen. Als erster entkoffeinierter Kaffee kommt „Kaffee HAG“ auf den Markt.

1908: Die Dresdner Hausfrau Melitta Bentz erfindet den Kaffeefilter, der bis heute in vielen Haushalten verwendet wird.

Nach 1945: Kaffee symbolisiert in Deutschland Wiederaufbau und Wirtschafts- wunder. Kaffeetrinken bedeutete, sich wieder etwas leisten zu können.

Kaffee heute: Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Rund 162 Liter trinken die Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr und damit mehr als Wasser oder Bier. Zudem ist Deutschland Weltmeister in der Entkoffeinierung.