20.10.2021

ENRW-Strom für Escape Room

Rottweil

„Endlich mal was Neues und nicht schon wieder ein Barber-Shop oder ein Döner-Laden…“, den Bankmitarbeiter machen die fünf junge Leute aus Villingendorf und Zimmern schon glücklich, bevor er ihnen das erbetene Angebot über einen Kredit offeriert. 2018 fassen Etienne Bantle, seine Schwestern Alina und Lorena, seine Freundin Lena Schanz und deren Bruder Benedikt Schanz den Entschluss, in Rottweil einen „Escape Room“ (zu deutsch: Fluchtraum) zu eröffnen. Im Nebenerwerb versteht sich, denn ihre Berufe als Elektriker, Industriekauffrau oder medizinische Fachangestellte wollten sie behalten.

Die Idee entwickelt sich umgehend zur Erfolgs-Story. Das erste Betriebsjahr 2019 übertrift alle Erwartungen: „Wir waren jedes Wochenende ausgebucht“, erinnert sich Etienne Bantle, im Hauptberuf Notfallsanitäter. Die Hoffnungen der Fünf auf eine solch fulminante Entwicklung waren berechtigt und entsprangen eigener Erfahrungswerte: „Als jahrelange begeisterte Besucher von ‚Escape Rooms‘ wussten wir, dass es einen enormen Bedarf an neuen Räumen gibt. Jeder Raum wird von den Spielern nämlich nur einmal besucht, danach sind die jeweiligen Rätsel ja bekannt.“ Eine Stammkundschaft könne so nicht entstehen. Wer öfters spielen möchte, muss immer neue Räume besuchen: „Wir sind bis Freiburg, Ulm, Konstanz oder Tübingen gefahren.“

Mittlerweile gibt es allein in Deutschland weit über tausend solcher Freizeiteinrichtungen. Neue „Escape Rooms“ schießen wie Pilze aus dem Boden. Freundesgruppen, Familien, Arbeitskollegen, Geburtstagsgäste, Abschlussklassen oder die Teilnehmer von Junggesellenabschieden pilgern zu den Räumen, um sich als Team zu beweisen. Köpfchen und Teamfähigkeit sind gefragt. Wir zitieren aus einem Werbeflyer: „Ihr betretet einen Raum. Die Tür schließt sich hinter Euch. Die Uhr fängt an zu ticken. In 60 Minuten müsst Ihr die Herausforderung meistern. Entdeckt die Geheimnisse des Raumes, löst Rätsel und kombiniert versteckte Hinweise – mit Logik, Kreativität und Verstand. Nutzt die Stärken Eures Teams – sonst werdet Ihr scheitern!“

Wenn das Rätselteam angekommen ist, erhält es eine Einweisung durch die Betreiber und muss dann – mit einer Hintergrundgeschichte versehen – als Detektive, Polizisten, Agenten, Bösewichte oder Zauberer tätig werden und bestimmte Rätsel lösen, um hinter das Geheimnis der jeweiligen Story zu kommen. Da jede Gruppe unterschiedlich vorgeht und auch die Hinweise nicht immer in der richtigen Reihenfolge gefunden werden, sind Teamwork und Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg. In der Regel beobachtet das Betreiber-Personal die Gruppen über Kameras, um bei Bedarf über Funkgeräte Tipps und Hilfestellungen zu geben. So auch in Rottweil: „Einer von uns ist immer live dabei!“ Unter Zeitdruck sind dann ganz besondere Fähigkeiten gefragt: beispielsweise das Verknüpfen von Gegenständen und Objekten, um Buchstaben oder Zahlenschlösser zu öffnen oder Schlüssel zu finden. Oftmals müssen auch Hinweise richtig interpretiert oder Rätsel gelöst werden, um an Codes oder Passwörter zu gelangen.

Der Ursprung der „Escape Rooms“ geht auf das 2004 veröffentlichten PC-Spiel „Crimson Room“ des Japaners Toshimitsu Takagi zurück. Als Spieler muss man hier versuchen, einen Ort, an dem man gefangen ist, zu verlassen. 2007 eröffneten in Japan erste reale Räume, in denen kleine Gruppen analog zum PC-Spiel innerhalb einer vorgegebenen Zeit – meist 60 Minuten – mit Hilfe versteckter Hinweise, Rätsel und Gegenstände den Raum wieder verlassen müssen.

In Deutschland gibt es seit 2013 „Escape Rooms“. Rätsel-Räume können theoretisch überall eingerichtet werden – in Zimmern, Kellern, Dachböden oder Fabrikhallen. Seit 2017 werden teilweise auch Virtual-Reality-Brillen eingesetzt – in diesem Fall können die Räume sogar leer bleiben, da sich die Spieler über die Brillen in virtuellen Welten bewegen. Ein tragisches Unglück in Polen bescherte der „Escape Room“-Szene 2019 ein internationales Presseecho. In Koszalin kamen fünf 15-jährige Mädchen bei einem Brand in einem „Escape Room“ ums Leben. „Da es in Deutschland verboten ist, Menschen einzusperren, wäre dieses Drama bei uns nicht passiert“, erklärt Etienne Bantle. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, einen „Escape Room“ zu verlassen.

Nachdem der „Escape Room“ im Kapellenösch 9 – betrieben mit Strom der ENRW – derart erfolgreich war, beschließt die Mannschaft um den 28-Jährigen, sich nach weiteren Räumlichkeiten umzuschauen. Fündig wird das Team schließlich in der Predigerstraße 8: „Dort bieten wir nun zwei weitere Räume an sowie einen großzügigen Lounge-Bereich.“ Für 24 Euro pro Person kann der einstündige Rätselspaß beginnen. Je nach Raum besteht Platz für vier bis maximal acht Spieler ab 18 Jahren. Kinder und Jugendliche können in Begleitung von Erwachsenen auch mitspielen, „wobei es erst ab einem gewissen Alter Sinn macht.“

In der Regel nach vier bis fünf Jahren werden die Räume neu gestaltet und mit einem neuen Rätsel-Thema belegt. Die Vorfreude bei den Fünfen ist jetzt schon groß, „denn es macht unheimlich Spaß, an einem Raumkonzept zu feilen, das möglichst vielen Menschen gefällt.“