20.10.2021

ENRW-Strom für Campingplatz Hegne

am Bodensee

Friedlich liegt der Bodensee da. Im Hintergrund die Insel Reichenau. Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche. Zwei Schwäne ziehen elegant ihre Bahnen. „Jetzt habe ich endlich Urlaub“: Nicht selten hört Matthias Kunz, Geschäftsführer des Campingplatzes in Hegne, diesen Satz an der Schranke am Eingang. Sie ist für viele Camper zum Symbol für Entschleunigung und Erholung geworden.

Während die Camper nach Hegne kommen, um Ruhe zu finden, ist Matthias Kunz während der Saison von 15. März bis 15. Oktober ständig unter Strom. „Es gibt hier nichts, was es nicht gibt“, weiß Kunz aus seiner elfjährigen Campingplatz-Erfahrung. „Jeden Tag taucht ein Problem auf, das es zu lösen gilt.“ Der gelernte Einzelhandelskaufmann bezeichnet sich als „umtriebigen Typen“, der immer wieder Veränderungen sucht. So kam es auch, dass er nach Stationen in Berlin und Leinfelden-Echterdingen 2010 erst einen Campingplatz in Wangen-Öhningen und drei Jahre später schließlich den in Allensbach-Hegne pachtete.

Das Handy von Matthias Kunz klingelt während unseres Gesprächs mehrere Male. Kunz entschuldigt sich. Ein Mitarbeiter hat eine Frage an den Chef, der sieben Tage die Woche rund um die Uhr gefragt ist: Als Problemlöser, wenn er Streitereien zwischen Eheleuten schlichtet. Als Retter in der Not, wenn er erschöpfte Schwimmer mit dem Kanu aus ihrer misslichen Lage befreit oder ein abgetriebenes Tretboot mit dem Motorboot ans Ufer schleppt. Als Allrounder, wenn er in der Küche oder an der Bar aushilft oder wenn er bei Reparaturen selbst Hand anlegt. Im Hintergrund fallen auch „klassische“ Chef-Tätigkeiten an: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, Budgetpläne erstellen und Gespräche mit Banken führen. „We are one family“, betont Kunz. Auf sein 20-köpfiges Team kann er sich immer verlassen. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nächtigen sogar auf dem Platz, obwohl ihre Wohnungen teilweise nur wenige Kilometer vom Campingplatz entfernt liegen.

Auf dem kleinen Campingplatz am schwäbischen Meer prallen nicht selten Welten aufeinander. „Hier begegnen sich der junge Auszubildende mit Zelt und der Herr Doktor mit seinem 20-Meter-Wohnmobil“, weiß Kunz. Das Spannende daran: Beide müssen miteinander klarkommen. Denn spätestens in den Sanitäranlagen und beim Geschirr spülen können sie sich nicht aus dem Weg gehen. „Gemeinschaft funktioniert nur, wenn sich alle an die Regeln halten“, weiß der Campingplatz-Chef. Missachtungen der Platzordnung kommen vor allem bei der Einhaltung der Nachtruhe vor. Doch wer nachts Radau macht, reist postwendend ab. „Wenn in der Gruppe eine nicht-alkoholisierte Person dabei ist, packen sie noch in der Nacht ihre Sachen“, erklärt Kunz. Für die Einhaltung der Nachtruhe sorgt ein Sicherheitsdienst. Sollte eine Situation eskalieren, wird in absoluten Ausnahmefällen die Polizei hinzugezogen.

Die Campinggäste sind bunt gemischt: Jugendliche, junge Familien, Studenten, Rentner. „Unsere älteste Camperin ist 97 Jahre und kommt jedes Jahr mit ihrem Wohnwagen“, berichtet Kunz. Viele seiner Gäste kennt Kunz gut. Mit einem Camper, der bis zur Corona-Pandemie bis zu 15 Mal jährlich nach Hegne kam, verbindet Kunz mittlerweile eine enge Freundschaft.

Freiheit und aus dem Alltag entfliehen: Für den gut betuchten Vorstand einer Schweizer Firma ist Kunz` erster Campingplatz in Wangen-Öhningen zum Sinnbild für Befreiung geworden. Regelmäßig fuhr dieser dort am Wochenende mit einer Luxuskarosse vor, um Reißaus vor den neugierigen Reportern in seiner Heimat zu nehmen.

Sicher hätte er locker in den exquisitesten Luxushotels der Alpenrepublik absteigen können, aber „auf dem Campingplatz konnte er frei leben. Nicht jeder Schritt wurde von Kameras beobachtet. Er konnte Mensch sein,“ berichtet Kunz.

Mit Camping verbindet man gemeinhin den Verzicht auf Luxus und das Leben im Zeichen des Minimalismus`. Ein Blick auf den deutlich steigenden Strombedarf zeigt jedoch: Das war einmal. „Glamping“ heißt das Stichwort (zusammengesetzt aus Glamour und Camping), gehobenes Camping also. Viele Wohnmobile verfügen über zwei Klimaanlagen, über elektrische Geräte und Heizlüfter. Eine warme Dusche am Morgen sollte ebenfalls drin sein und WLAN darf auch beim Campen nicht fehlen. Bei manch einem müssen sogar drei PC-Monitore mit in den Urlaub. Und auch die Camper mit Zelt rücken mittlerweile mit Kühlschrank, Musikbox und Heizer an. Das alles will mit Strom versorgt werden. „Ein Stromausfall wäre für uns ein Super-GAU“, prophezeit Kunz. Ausgerechnet in den Sommerferien war der Campingplatz aufgrund von Arbeiten am Stromnetz für zweieinhalb Stunden ohne elektrischen Saft: „Man hätte meinen können, die Welt geht unter.“

Für seinen Campingplatz bezieht Kunz Öko-Strom von der ENRW. „Ich sehe die ENRW als Partner, nicht als Lieferant“, bestätigt Kunz. Ihm sei wichtig einen Ansprechpartner zu haben, jemandem mit dem er reden kann und kein anonymes Callcenter. „Da bin ich auch bereit, mehr zu bezahlen. Das Drumherum muss stimmen.“ Außerdem legt der 51-Jährige großen Wert auf Regionalität und Ökologie: „Wir haben Gründächer und Sonnenkollektoren auf den Gebäuden, wir setzen auf Zeitschaltuhren und haben Bewegungsmelder an den Wasserhähnen. Außerdem nutzen wir umweltfreundliche Reinigungsmittel.“ Die Lebensmittel im Restaurant stammen von regionale Erzeugern und werden frisch zubereitet.

Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen. Der gebürtige Rottweiler Kunz findet seinen Arbeitsplatz „sensationell cool“ und trotzdem pendelt er jeden Tag von Rottweil nach Hegne. „Ich will hier nicht leben: Im Sommer ist mir zu viel und im Winter zu wenig los“, erklärt er. Außerdem sei er stark mit seiner Heimat Rottweil verbunden. Deswegen steigt Kunz nach einem arbeitsreichen Sommertag gerne in sein Auto und braust nach Hause in Richtung Rottweil.