18.07.2023

"Einen Tag vor der Hochzeit die volle Bräune holen geht nicht!"

Agnes Wachowski, Inhaberin Sonnenstudio Tropic Sun in Spaichingen

Die Kraft der Sonne…Unzählige Male thematisiert. Sonnenlicht hilft gegen Stress, bildet in der Haut das wichtige Vitamin D, sorgt für eine bessere Durchblutung, reguliert den Blutzucker, normalisiert den Blutdruck, stärkt das Immunsystem, macht fit, wach, kurbelt die Produktion von Glückshormonen an und lockert die Muskulatur. Daneben stehen Gesichts- oder Körperbräune („Ich will endlich braun werden“) immer noch für Attraktivität und körperliche Anziehungskraft. Warum eigentlich? Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts galt dunkle, gegerbte Haut als verpöntes Merkmal von Bauern, Sklaven und Seeleuten, die unter freiem Himmel arbeiten mussten. Die Oberschicht versteckte jeden Quadratzentimeter des Körpers mit Schirmen und Hüten, Handschuhen, langen Hosen oder Röcken. Selbst zum Strand ging es in voller Montur. Kein einziger Sonnenstrahl sollte die Haut berühren. Mit giftigen Bleichmitteln, Puder oder gar einem Aderlass versuchte man, vornehm blass auszusehen.

Um 1900 befreiten sich die Lebensreformer und Naturfreunde als Erste von diesen Zwängen, tanzten nackt über Wiesen und frönten dem FKK-Sonnenbaden. Zudem erkannten Ärzte die positive Wirkung der UV-Strahlen (siehe oben). In Scharen wurden Patienten in Sanatorien zu Licht- und Lufttherapien geschickt. Stundenlang aalten sich Kururlauber auf Terrassen und Veranden, wendeten sich auf ihren Liegen wie Grillhähnchen. Unvergessen die französische Mode-Designerin Coco Chanel (1883-1971), welche es schaffte, gebräunte Haut auch in der Modewelt als Schönheitsideal zu etablieren. 1923 trat sie bewusst stark gebräunt nach einem unfreiwilligen Sonnenbrand vor die Fotografen und engagierte fortan für den Laufsteg gebräunte Models. Mit Erfolg: Braunsein wurde europaweit als „sexy“ eingestuft. Und das änderte sich auch nicht mehr so schnell. Einer von vielen Belegen: 1971 änderte der Spielzeugkonzern Mattel den „Look“ seiner Spielzeugpuppe „Barbie“: von bislang schneeweiß zu stark gebräunt.

Mit der Erfindung der „Sonnenbank“ Mitte der 1970er Jahre gab es dann kein Halten mehr. Die Deutschen brutzelten teilweise täglich im künstlichem UV-Licht. Noch während der 1980er und 1990er Jahre gab es in jeder Kleinstadt gleich mehrere Sonnenstudios. „Vollbraun“ war hochmodern. Zahlreiche Promis lebten diesen „Style“ vor. Dieter Bohlen und Thomas Anders von „Modern Talking“ oder die Sängerin Sandra etwa galten in Deutschland als gebräunte Ikonen der Sonnenbank-Industrie. Doch die Ernüchterung folgte durch die Entdeckung des Ozonlochs Mitte der 1980er Jahre. Aufklärungskampagnen informierten zum Thema „Hautkrebs“. In gleichem Maße, wie aus diesem Grund die behördlichen Auflagen für Sonnenstudios stiegen, sanken deren Besucherzahlen und damit auch die Zahl existierender Betriebe.

Doch es gibt sie noch, wenn auch nicht mehr so zahlreich wie früher. Im 2005 eröffneten Sonnenstudio „Tropic sun“ („Tropische Sonne“) in Spachingen wirbt die Außenreklame mit „Lust auf Bräune“. Passend dazu zeigt das Riesenposter im Schaufenster einen muskulösen jungen Mann oben ohne und eine nur leicht bekleidete Dame. Beide gebräunt, aber keinesfalls auffallend. Drei Sonnenbänke stehen im Studio. Neu kostet eine solche rund 40.000 Euro. Agnes (43) und Krzysztof (44) Wachowski sind zufrieden mit der Auslastung. Auch 18 Jahre nach Eröffnung können sie sich über fehlende Resonanz nicht beklagen. Viele Kundinnen und Kunden möchten ihr Aussehen durch eine leichte Bräunung der Haut gerade im Winter und im beginnenden Frühjahr verbessern. Vor der Urlaubssaison kommen die „Vorbräuner“. Die Haut soll sich an viel Sonnenlicht gewöhnen. Und wer möchte schon an den Stränden des Südens mit einem komplett blassen Körper auftauchen? Schließlich treibt so manchen Gast eine ärztliche Empfehlung her, wenn Rheumaschmerzen oder Hautschuppen plagen.

Täglich brutzeln würde bei Agnes und Krzysztof gar nicht funktionieren. Anfänger werden einem Hauttyp zugeordnet, um dann die richtige Dauer sowie die maximale Anzahl an Besuchen pro Woche in einem Besonnungsplan festzulegen: „Mehr als zehn Minuten sowie drei Mal die Woche macht am Anfang keinen Sinn. 48 Stunden müssen zwingend zwischen zwei Besuchen liegen, sonst wird Haut verbrannt oder stark rötend.“ Für Fortgeschrittene gilt als Faustregel: ein wenig Bräune zehn Minuten und volle Bräune 20 Minuten. „Vollbraun“ sind heute nur noch die Bodybuilder, welche bei Wettkämpfen sogar noch mit Bräunungscreme nachhelfen.

Agnes und Krzysztof müssen regelmäßig kostenintensive Schulungen des Bundesverbandes für Besonnung absolvieren. Die richtige Beratung ist wichtig, um an der Haut keinen Schaden anzurichten: „Wenn jemand zu oft kommt, dann müssen wir den Zugang verwehren.“ Das Landratsamt kontrolliert regelmäßig Schulungen und Einrichtung. Im Sonnenstudio agieren die Gäste weitgehend selbstständig. Man geht in die Kabine, schließt ab, entkleidet sich, legt sich mit Schutzbrille auf die Sonnenbank, schließt den Deckel und stellt die Bräunungszeit ein. Da das Gerät alle Schritte mit einer mündlichen Bandansage ankündigt, ist die Benutzung selbsterklärend. Auf Wunsch erzeugt die Lüftung einen sanften Wind, der noch mit verschiedenen Aromen angereichert werden kann.

Entspannungsfaktor somit inklusive: „Manche unserer Kunden schlafen während der Bräunung ein und müssen von uns geweckt werden“, erzählt Agnes lächelnd. Natürlich schalten sich die UV-Röhren nach der eingestellten Zeit automatisch aus. Danach wird die Sonnenbank für den nächsten Gast desinfiziert. Auf Wunsch gibt es auch eine Einweg-Folie auf die Liegefläche.

Ins Spaichinger Sonnenstudio „Tropic Sun“ kommen etwas mehr Frauen als Männer. Zwischen 18 und 80 Jahren sind alle Altersklassen vertreten. Marion (60) kommt nicht nur zum Abschalten: „Es tut meinem Rücken gut, und ich bekomme etwas Farbe. Dann brauche ich kein Make-up, sondern nur etwas Creme und fertig.“ Sylwia (44) verträgt die echte Sonne nicht so gut, dafür das Solarium: „Im Winter hole ich mir hier die Wärme.“ Monika (34) bekommt auf der Sonnenbank gute Laune: „Außerdem kann ich mich perfekt entspannen.“ Ähnlich sieht es Justin (46): „Hier kann ich mich ein paar Minuten ausruhen und meine Haut erhält eine gleichmäßige Sommerbräune.“ Martin (35) fühlt sich gut beraten, ist zufrieden mit seiner Bräune und kann sich keine bessere Vorbereitung auf den Urlaub vorstellen. Alle loben die freundlichen und hilfsbereiten Betreiber.

Es gibt sowohl Stammgäste als auch Kunden, die nur aufgrund eines speziellen Anlasses erscheinen. Urlaub und Hochzeit sind die häufigsten. Manchmal wird es auch kurios, da muss selbst Agnes trotz aller Diskretion schmunzeln: „Einmal kam ein Bräutigam einen Tag vor der Hochzeit, um sich 30 Minuten bräunen zu lassen. Das wäre eine Katastrophe für die Braut geworden.“

Wie funktioniert ein Solarium/Sonnenstudio?

In einem Sonnenstudio befinden sich sogenannte „Sonnenbänke“, welche die Haut bräunen. Dies funktioniert mit jeweils rund 47 bis 52 UV-Röhren, die UV-A- und UV-B-Strahlen erzeugen. Nach 800 bis 1.000 Benutzungsstunden müssen die Röhren gewechselt werden. Das UV-Licht darf eine gesetzlich vorgeschriebene Stärke nicht überschreiten.

Die meisten Solarien sind für den ganzen Körper. Es gibt aber auch Sonnenbänke, die nur bestimmte Teile des Körpers bestrahlen, wie zum Beispiel das Gesicht. Letzteres wird mit einer Leistung von 520 Watt bestrahlt, der restliche Körper mit 160 Watt. In der Regel begibt sich der Bräunungswillige ohne Kleidung, aber zwingend mit einer Schutzbrille wegen der UV-Strahlen auf die Sonnenbank. Diese verfügen über einen Deckel, der während des „Sonnenbades“ geschlossen wird. Die Dauer der Bräunungszeit ist vom Hauttyp abhängig und umfasst in der Regel zwischen zehn und maximal 20 Minuten. Sonnencreme ist tabu. Die Nutzung eines Sonnenstudios ist erst ab 18 Jahren erlaubt.