12.04.2022

Energiezufuhr

durch Kraftfutter

Kraftfutter für unsere Rinder und Bullen lässt sich ein bisschen mit dem Nachtisch bei uns Menschen vergleichen. Bei den Schweinen und Hühnern ist es dagegen die Hauptmahlzeit“, erklärt Landwirt Sebastian King. Die Rede ist von Getreideschrot. Auf ihren Äckern und Wiesen baut die Familie King das Grundfutter für ihre Tiere an. Grassilage und Heu für die Rinder. Getreide für die Schweine und Hühner sowie für die Rinder als Kraftfutter. Bei der Ernte des Getreides werden Halme und Körner getrennt. Die Halme werden als Stroh für die Ställe genutzt, die Körner wandern in die Silos.

 

Fünf Tonnen Getreide für die Hühner

Für die Herstellung des Kraftfutters kommt einmal pro Woche der Schroter auf den Hof, um das Getreide zu schroten und mit anderen Futterkomponenten zu mischen. Während im Laufstall der Hühner eine automatische Anlage für ständigen Futternachschub sorgt, werden Rinder und Bullen morgens und abends, die Schweine einmal pro Tag per Hand gefüttert. Die Hühner verputzen pro Woche gut und gerne fünf Tonnen Getreide. Bei den Rindern und Schweinen ist es deutlich weniger: „Wir betreiben hier keine Turbomast. Die Tiere sollen artgerecht gemästet werden und langsam wachsen, dann schmeckt das Fleisch auch deutlich besser.“

Von Mai bis Oktober verbringen die Rinder Tag und Nacht auf der Weide: „Da steht eh nur Gras auf dem Speiseplan.“ Der Landwirt von heute weiß genau, wie viel Kraftfutter gefüttert werden muss: „Futteranalysen gehören dazu, um einen landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich zu betreiben. Es geht darum, die jeweilige Energiedichte des Getreides und des Grases zu bestimmen, um dann eventuell mit anderen Futterkomponenten auszugleichen.“ Heutzutage muss effizient und gezielt gefüttert werden: „Es muss sich rechnen, das ist entscheidend!“

 

Effiziente Fütterung mittels Futteranalyse

Seit 2000 lebt die Familie King auf dem damals erbauten Aussiedlerhof in Eschbronn-Mariazell, umgeben von Wiesen und Feldern. Doch die idyllische Umgebung in Alleinlage war nicht der Grund für den Umzug. „Mein Mann hatte einen kleinen Hof und als der Pachtvertrag auslief, stellte sich die Frage, aufhören mit der Landwirtschaft, in den Osten gehen, wo es günstiges Land gab oder hier in Mariazell bauen“, erinnert sich Marlene King, ebenfalls Landwirtin und Meisterin der Hauswirtschaft. Da ihr Schwiegervater Land im sogenannten „Außenbereich“ besaß, entstanden auf der grünen Wiese Wohnhaus, Stallungen und Vermarktungsräume.

Die Familie King produziert auf ihrem Hof Produkte für den Endverbraucher und vermarktet sie selbst. Über 20 Mitarbeiter – darunter vier Familienmitglieder – sorgen dafür, dass Eier, Nudeln, Brot, Backwaren, Speck, Wurst, Maultaschen sowie Rinder- und Schweinefleisch zu den Kunden kommen: „Wir sind auf zwölf Wochenmärkten in der Region vertreten und bringen unsere Produkte aber auch direkt zu unseren Stammkunden bis vor die Haustür.“

So übernehmen die Kings in manchem kleinen Dorf die Rolle des Lebensmittelversorgers: „Während der Corona-Lockdowns kamen wir kaum nach.“ Die Direkt-Vermarktung ab Hof allerdings mussten sie einstellen, da die unermessliche Zahl an Schlaglöchern auf dem Zufahrtsweg die Kunden abschreckt: „Das kann ich nachvollziehen. Wer will schon für eine Packung Nudeln einen Achsenbruch riskieren?“ In dieser Beziehung hofft die Familie, dass die Gemeinde irgendwann den Weg zu ihrem Hof richten lässt.

 

Harzwaldhof sichert Lebensmittelversorgung

Zurück zum Kraftfutter. Auf rund 20 Hektar Acker bauen die Kings abwechselnd Weizen, Tricitale, Gerste und Mais an. Ende September wird gesät, im Juli innerhalb von drei bis vier Wochen geerntet. Warum die ganze Arbeit, wenn man Getreide auch zukaufen könnte? Für Sebastian King keine Frage: „Ich möchte wissen, was in meinem Futter drin ist und mich in keine Abhängigkeiten begeben.“ Ein schwieriges Geschäft, zumal der Klimawandel für so manche Unwägbarkeit sorgt: „Trockene Jahre muss man ausgleichen, Puffer produzieren. Aber nicht zu viel, sonst wird es im Silo schlecht. Verhagelt die Ernte muss man Futter zu- oder Vieh verkaufen.“ Während die Futterpreise seit Jahren steigen, gehen die Preise für Lebensmittel seit Jahren zurück: „Als Direktvermarkter können wir eher die Preise anpassen, aber die Konkurrenz durch die Discounter wächst trotzdem von Jahr zu Jahr. Diese gaukeln den Verbrauchern oft ‚Bio‘ und ‚Regional‘ nur vor.“

 

Uneinheitliche Standards bereiten Probleme

Das gravierende Problem für die deutschen Landwirte seien die nicht einheitlichen Standards: „Ausländische Lebensmittel fluten den deutschen Markt, aber werden nicht nach in Deutschland geltenden Gesetzen hergestellt. Mit diesen Preisen können wir nicht mithalten!“ Auch mit seinen hohen Anforderungen beim Tierwohl, Pflanzenschutz und bei der Düngung sei Deutschland international nicht konkurrenzfähig. Und ohne ausländische Lebensmittel geht es nicht: „Aufs Jahr gerechnet würden Lebensmittel rein aus Deutschland gerade mal bis August ausreichen, um die Bevölkerung hierzulande zu ernähren. Wir sind abhängig von anderen Ländern.“ Und diese scherten sich oft nicht um Tierwohl und Pflanzenschutz: „In China gibt es mehrstöckige Schweineställe und hier hören immer mehr Schweinemastbetriebe auf, da sie durch die sich ständig ändernden Vorschriften bezüglich der Stallhaltung keine Planungssicherheit haben.“

Angesichts der Konkurrenz aus dem Ausland sehen die Kings ihre einzige Chance in der Direktvermarktung ihrer Produkte. Aber selbst der Ertrag dieses Vertriebsweges würde streng genommen keiner betriebswirtschaftlichen Betrachtung standhalten: „Rechnet man unsere Arbeitszeit sollte man aufhören!“ Aber das ist keine Option für die Kings. Nicht zuletzt deshalb, da viele ältere Menschen zu ihrem Kundenstamm zählen. Und die möchten sie auf keinen Fall hängen lassen…

Landwirt Sebastian King, seine Mutter Marlene King, Landwirtin und Hauswirtschafterin, sowie Schwester Annika King, Hauswirtschafterin.