12.04.2022

Energiezufuhr

durch Glauben

Auch in meinem Leben sind Brüche und Dellen“, erzählt Pfarrerin Dorothee Kommer, „doch der Glaube hat mir gerade in Krisenzeiten Energie und Kraft gegeben. Das heißt aber nicht, dass ich frei von Zweifeln bin.“ Als sie 1998 das Theologie-Studium in Tübingen beendet hatte, gab es im Gegensatz zu heute zu viele Kandidaten für die vorhandenen Vikariatsstellen, die auf den Beruf des Pfarrers vorbereiten. Drei Jahre Wartezeit galt es für die heute 52-Jährige zu überbrücken. Nach dem Vikariat und der Geburt ihrer beiden Söhne übernahm sie zusammen mit ihrem Mann die Pfarrstelle in Stuttgart-Mönchfeld. Anschließend war sie Pfarrerin in Hechingen. Nach der Trennung von ihrem Partner wechselte Dorothee Kommer nach Haigerloch. 2019 kam sie nach Wehingen und betreut seitdem die Gemeinden Wehingen, Gosheim, Deilingen-Delkhofen, Reichenbach und Egesheim. Seit März 2020 lebt einer ihrer beiden Söhne bei ihr.

 

Unterwegs im Auftrag des Herrn

Als „Landpfarrerin“ ist Dorothee Kommer zuständig für die sogenannte „Seelsorge“. Sie verkörpert die evangelische Kirche in Freud und Leid. Ob Trauerfälle, Eheschließungen oder Taufen, ob runde Geburtstage, Konfirmationen oder Krankheitsfälle – die 52-Jährige ist im Auftrag des Herrn unterwegs, verkündet die Botschaft des Evangeliums und hat ein offenes Ohr für alle Sorgen und Nöte der Gemeindemitglieder.

Energie und Kraft durch Glauben – wie funktioniert das? „Die Kirche ist ein Ort, an dem man sich nicht auspowern muss. Man muss nicht abliefern, kann sich runterfahren. Es gibt keine Erwartungen, die man meint, erfüllen zu müssen“, erklärt die Pfarrerin. Wie heißt es im Johannes-Evangelium? „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Egal, was jemand kann oder nicht kann.

 

„In der Kirche muss ich keine Erwartungen erfüllen“

Wenn nun jemand käme, der lernen möchte, wie man durch Glauben Kraft und Energie tanken kann – wie würde Dorothee Kommer reagieren? „Ich würde mich freuen über seinen Wunsch und ihn einladen, nicht nur die Gottesdienste zu besuchen, sondern sich mit Gemeindemitgliedern auszutauschen, beispielsweise in Hauskreisen oder Glaubenskursen.“ Eine detaillierte Gebrauchsanweisung kann die Theologin nicht bieten: „Es ist nix, was man so einfach machen kann.“

Der Glaube müsse wachsen. Die Lektüre des Neuen Testaments, insbesondere der Evangelien, hält sie für einen guten Einstieg: „Speziell das Thema Schuld und Vergebung kann vermitteln, dass der Glaube auch in schwierigen Situationen helfen kann. Weil man spürt, dass man nicht alleine ist mit seiner persönlichen Schuld und seinen persönlichen Problemen.“ Die zentrale Glaubensbotschaft lasse sich stark verdichtet im bekanntesten Gebet der Christen erfahren: dem Vaterunser. „Das auswendig zu können, macht in meinen Augen sehr viel Sinn, weil man gerade in Krisensituationen darauf zurückgreifen kann.“

 

Großmutter Hanna schöpfte Kraft aus ihrem Glauben

Kann Dorothee Kommer Beispiele nennen, von Menschen, denen der Glaube Kraft und Hoffnung vermittelt hat? Sie kann. „Mir fällt sofort meine Großmutter Hanna ein. Die musste hochschwanger mit einem dreijährigen Kind aus Schlesien fliehen. Der Glaube hat ihr Kraft gegeben.“ Hanna habe auf diese Weise jemanden gehabt, zu dem sie kommen konnte. Gerade, wenn sie nicht wusste, wie es den nächsten Tag weitergehen sollte. In ihrer Gemeinde kennt Kommer eine Frau, die laut die Lobpreislieder singt, wenn es ihr schlecht geht: „Die Frage, wofür kann ich dankbar sein auch an solchen schlechten Tagen, hilft ihr.“

Die Landpfarrerin findet es wichtig, dass der Glaube in der Familie weitergegeben wird: „Gemeinsame Tischgebete oder das Nachtgebet für die Kinder können den Glauben greifbar machen.“ Im Konfirmandenunterricht bilden „Andachtsmomente“ den Einstieg: „Das sind kurze Gebete, welche die Konfirmanden selbst aussuchen.“ Sie selbst liest jeden Morgen die Tageslosung: „Da sind ja nur zwei bis drei Sätze aus dem Alten oder Neuen Testament, aber oft kann ich daraus Kraft schöpfen.“

 

Gott ist für alle Menschen da

Und wie passen Kriege, Corona, Hungersnöte oder Katastrophen zum christlichen Glauben? „Keine Frage, auf der Erde ist noch nicht alles so, wie Gott es möchte. Eine letztgültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Aber Gott ist da für alle Menschen in der Not.“ Gleichzeitig seien alle Christen in der Welt aufgerufen, sich für Frieden, Klimaschutz, Toleranz und Nächstenliebe einzusetzen, „doch alles haben wir Menschen nicht in der Hand.“ Beispiele dafür gäbe es viele, im Großen wie im Kleinen: Die Kinder haben gebetet, und die Oma ist trotzdem gestorben. Das Leben geht weiter auch ohne den geliebten Menschen, und der Glaube vermittle Kraft durch die Gewissheit: „Die Oma ist bei Gott.“

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Pfarrerin Dorothee Kommer, zuständig für die Gemeinden Wehingen, Gosheim, Deilingen-Delkhofen, Reichenbach und Egesheim.