Zwischen Kunst und Yoga
Das erfüllte Dasein der Martina van Spankeren-Gandhi
Ein Tag hat für jeden 24 Stunden.Es kommt einzig darauf an, wie man diese nutzt. Betrachtet man die zahlreichen Tätigkeiten von Martina van Spankeren-Gandhi, könnte man meinen, dass sie weitaus mehr Zeit zur Verfügung hat: „Und das obwohl ich relativ viel Schlaf brauche,“ sagt sie lachend.
Wir treffen Martina van Spankeren-Gandhi in ihrem Atelier in Rottweil, das sie im Untergeschoss ihres Privathauses eingerichtet hat. Dort geht sie ihrer großen Leidenschaft, dem Restaurieren nach. Ihre aktuellen Objekte: zwei Holzfiguren aus dem 18. Jahrhundert, deren Restaurierung die Gemeinde Frittlingen in Auftrag gegeben hat. Sie geht behutsam vor. Größere Beschädigungen hat sie bereits gefestigt, Risse gekittet und Grundierung aufgetragen: „Die originale Fassung war fast komplett weg.“
Manchmal ist nur eine Reinigung erforderlich. Beispielsweise wenn die Gemäldeoberfläche stark verschmutzt ist. Drei Jahre hat sie den Beruf erlernt und zehn Jahre praktische Erfahrungen gesammelt, bevor sie vom Verband der Restauratoren anerkannt wurde, „Restauratorin ist nämlich kein offizieller Ausbildungsberuf.“ Ihre Leidenschaft für Kunst entdeckte sie bereits in der Schule. „Als Restauratorin sehe ich den Erfolg meiner Arbeit und bekomme ein Gefühl für die Arbeitsweise des Künstlers, das fasziniert mich!“ Aufträge erhält sie vor allem für sakrale Objekte in der HIERBLEIBER-Region. So hat sie etwa eine Tafelmalerei in der Rottweiler Kapellenkirche konserviert und den Holzwurmbefall in der Heilig-Kreuz-Kirche bekämpft.
Nicht nur wertvolle Gemälde finden den Weg in van Spankeren-Gandhis Atelier, sondern auch Rottweiler Narrenkleidle wie Gschell und Biss. Diese bemalt die zweifache Mutter, welche seit 18 Jahren in der Narrenhochburg lebt. Derzeit ist die Kopfhaube fürs Biss in Arbeit. „Ich nehme maximal drei Kleidle pro Jahr an, da die Bemalung sehr aufwendig ist und zwei bis drei Monate dauert“, verrät die von der Rottweiler Narrenzunft anerkannte Fasnetshandwerkerin. Zuerst erfolgt die zeitintensive Grundierung mit mehreren Durchgängen. Nachdem sie die Malerei entworfen hat – übrigens nach strengen Vorgaben der Narrenzunft ─ bringt sie diese auf den Leinenstoff. Nur historisierende Motive, die Tiroler oder Türken zeigen, dürfen die Kleidle zieren.
Tagsüber ist die studierte Kulturgeografin und Kunsthistorikerin hauptsächlich in den Städtischen Museen der Stadt Rottweil und im Stadtarchiv anzutreffen. Hier arbeitet sie bereits seit 2013. Im Stadtmuseum erfasst die Kunsthistorikerin Objekte digital und füttert das Programm mit Infos. „Je mehr man über einen Gegenstand weiß, desto interessanter ist er.“ Zudem ist ihr fachmännischer Rat bei der präventiven Konservierung gefragt, um die Objekte vor Zerstörung zu schützen.
Im Stadtarchiv übernimmt sie administrative Aufgaben, archiviert Fotografien und Dias und unterstützt bei Anfragen zur Familienforschung: „Da gibt es schon einige, die ihre Familiengeschichte rekonstruieren wollen.“
Die beschriebenen Tätigkeiten könnten Wochen und Monate locker ausfüllen. Doch „die Abwechslung macht’s!“ Seit 2008 ist van Spankeren-Gandhi erste Vorsitzende des Fördervereins des Salinenmuseums Rottweil.
Bei ihrer Stadtführerausbildung (Stadtführungen bietet sie keine mehr an) machte sie der damalige Stadtarchivar Winfried Hecht auf den Förderverein aufmerksam. Gemeinsam mit einer Freundin tastete Martina van Spankeren-Gandhi sich zunächst bei einer Putzete des Vereins an die Thematik heran. Als sie von Vereinsmitgliedern gefragt wurden, ob sie Führungen machen würden, haben beide sofort zugesagt und sind bis heute geblieben.
„Es macht unheimlich Freude, mit einem engagierten und super netten Team zu arbeiten, gute Ideen zu finden und sich gegenseitig dafür zu begeistern“, schwärmt die Vereinsvorsitzende. Eine solche Neuerung ist das geplante Open-Air-Kino-Wochenende im Salinenmuseum, das Ende August in Kooperation mit dem Central-Kino Rottweil stattfindet. Die Sonntagsdienste teilt sich das Team um van Spankeren-Gandhi auf; sie selbst ist ein- bis zweimal pro Monat vor Ort.
„Ich bin ein Typ, der sehr offen für alles ist“, nennt die gebürtige Wuppertalerin einen Grund für ihre vielfältigen Aufgaben. Dennoch: „einen Ausgleich braucht man schon.“ Abschalten kann die 58-Jährige am besten beim Yoga.
Yogalehrerin ist sie nämlich auch noch und gibt pro Woche drei Kurse an der Volkshochschule. Nachdem „ihre“ Lehrerin aufhören wollte und eine Nachfolgerin gesucht wurde, absolvierte van Spankeren-Gandhi von 2011 bis 2013 eine entsprechende Ausbildung. „Eine harte Schule“ wie sie berichtet, „aber eine super Ausbildung.“ Viele ihrer Schüler kommen schon von Anfang an in die Stunden: „Sie liegen mir sehr am Herzen.“
Wie aber bekommt man all diese vielfältigen Aufgaben unter einen Hut? „Ich habe eine gute Struktur, arbeite nur an vier Tagen die Woche bei der Stadt und habe keine langen Fahrzeiten“, erzählt van Spankeren-Gandhi. Außerdem gilt für sie die Prämisse: „Wenn ich abends etwas vorhabe, schaffe ich tagsüber was weg.“ Von Freitag bis Sonntag plant sie grundsätzlich Freiräume ein. Sonntags kann es doch mal vorkommen, dass sie den Weg ins Atelier findet, „dann bleibe ich aber auch für ein paar Stunden da.“
Von einer Sache ist die Allrounderin absolut überzeugt: „Langweilig wird mir im Ruhestand mal nicht.“
Verbringt mitunter mehrere Stunden in ihrem Atelier: Martina van Spankeren-Gandhi.