07.07.2022

Countdown eines Bezirksligaspiels

13:02 Uhr

Es ist heiß an diesem Sonntagmittag im Mai. Deißlingens Straßen sind wie ausgestorben. Die meisten der etwas mehr als 6.000 Einwohner scheinen bei diesen Temperaturen eine kleine Siesta einzulegen. Zwei ältere Männer unterhalten sich in der Nähe des Lebensmittel-Discounters am Ortsrand. Sie erklären bereitwillig den Weg zum Sportplatz und weisen gleich auf eine Besonderheit hin: die Fußballfelder samt Vereinsheime der Sportgemeinschaft Deißlingen und des SV Lauffen als Ortsteil liegen genau nebeneinander. Man müsse schauen, wo das Spitzenspiel stattfindet. Es treten heute in der Bezirksliga Schwarzwald an: die Spielgemeinschaft Deißlingen-Lauffen als enteilter Tabellenführer gegen den Drittplatzierten SV Villingendorf. Ein Sieg heute und die vorzeitige Meisterschaft ist eingetütet.


13:17 Uhr

Auf dem Sportplatz des SV Lauffen ist das Spiel der Zweiten Mannschaft schon in vollem Gange. Trotz hochsommerlicher Temperaturen säumen einige Zuschauer das Feld. Felix Schaplewski steht mit seinem Bruder Nico und Co-Trainer Rolf Schumpp am oberen Ende des Platzes, das in Richtung Vereinsgelände der SG Deißlingen liegt. Das Brüderpaar ist als Spielertrainer-Tandem heimgekehrt aus der weiten Fußballwelt. Zurück zum Verein ihrer Kindheit. Beide haben hier das Fußballspielen angefangen.Felix war es, der als Jugendlicher sogar einen Fuß in die vermeintliche Glitzerwelt des Profifußballs setzte. Mit 15 Jahren spielte er in der B-Jugend des VfB Stuttgart, wurde Deutscher Meister und kickte beispielsweise gegen den jungen David Alaba.

Nach der Übernahme in die A-Jugend des VfB kam die Verletzung und ein einsames Dasein im Kraftraum des Fußball-Internats. Nicht ein einziges Mal erkundigte sich ein Trainer nach seinen Genesungsfortschritten. Felix verließ den VfB Stuttgart, spielte nacheinander in der Landesliga beim SV Zimmern, in der Oberliga bei der TSG Balingen und in der Verbandsliga beim FC Bad Dürrheim. 2019 schloss er sich wieder seinem Heimatverein an. „Meine Frau hat sich gefreut“, sagt Felix. Die ganzen Jahre wohnte er stets in Deißlingen und pendelte zum Training und den Spielen. Seinen älteren Bruder Nico hatte es beruflich nach Bayern verschlagen. Dort war er für die ASV Dachau aktiv. Zur abgelaufenen Saison zog er wieder zurück nach Deißlingen und übernahm mit Felix das Traineramt der ersten Mannschaft.


13:19 Uhr

Bevor die Mannschaftsbesprechung um 13:45 Uhr in der rustikal eingerichteten Vereinsgaststätte der SG Deißlingen startet, tauschen sich die drei Trainer in einer Umkleidekabine im Keller aus.

Die Taktiktafel liegt auf einem klappbaren Biertisch, dessen Farbe abblättert. Die Tafel füllt sich je länger das Gespräch dauert, mit Namen, Pfeilen und Spiegelstrichen. Das Gespräch wogt hin und her: „Der Robin brennt.“ „Was macht die Verletzung von Konstantin? Hat er noch Schmerzen?“ „Die bewährte Achse steht.“ „Wir müssen die langen Bälle auf ihren zentralen Stürmer unterbinden.“ Nico wird die Mannschaftsbesprechung eröffnen: „Ich habe mir ein paar Sachen überlegt, die ich sagen möchte.“


13:46 Uhr

Die Spieler haben sich im Vereinsheim zur Mannschaftsbesprechung versammelt. Noch in ihren Team-Shirts sitzen sie um das stehende Trainerteam im Halbkreis auf gedrechselten Wirtshausstühlen. Nico beginnt: „Was in dieser Woche bis heute gelaufen ist – einfach jetzt alles auszuklammern. Das ist heute einfach nur ein Top-Spiel. Es sind drei Punkte. Und die drei Punkte bleiben hier, weil wir heute den Gegner wegfegen. Ok? Alles andere spielt ab jetzt keine Rolle mehr. Jetzt zählt nur noch das Spiel. Egal, was heute passiert. Wer von Beginn an spielt, wer auf der Bank sitzt, wer rein kommt, wer nicht spielt. Völlig egal! 

Jeder trägt heute dazu bei. Ihr tragt auf der Bank bei, ihr tragt auch als Zuschauer bei. Da können wir unseren Job auch machen, indem wir kommunizieren, Kommandos geben, pushen, sei es weiß Gott was – egal! Und ich verlange jetzt nur von diesen Elf, die auf dem Platz stehen, dass die einen Tick heißer sind, einen Tick motivierter, einen Tick mutiger. Dass die einfach einen Tick mehr davon haben, als die, die auf der Bank sitzen. Und Jungs, die Elf, die jetzt anfangen: Ihr seid es denen schuldig, dass ihr euch jetzt richtig ins Zeug legt, richtig Gas gebt und die Hütte brennt, von der ersten Minute an. Das ist eines, was sicher ist. Und die Elf, die jetzt gleich hier anfangen darf, muss den anderen das Versprechen geben, dass es heute so kommt. Und die Elf, die heute nicht als erstes am Zug ist gibt, das Versprechen, dass, wenn sie reinkommen oder auch nicht reinkommen, sie bestmöglich von außen unterstützen. Wir sind ein Team, wir haben ein Ziel und ich erwarte, dass die drei Punkte uns gehören! Ok?“

Nico gibt die Aufstellung bekannt, dann übernimmt sein Bruder Felix: „Fokus auf uns! Es ist ein Spitzenspiel. Wir wollen das Spiel genießen. Wir fokussieren uns nur auf uns! Bedeutet: Schiedsrichter egal, Zuschauer egal, nur wir zählen als Team. Immer positiv bleiben. Wir motivieren uns, wir pushen uns. Und dann werden wir in unseren Flow kommen. Kompromisslosigkeit. Erstes Drittel bei uns.

Wir gehen auf die ersten Bälle, versuchen die zu klären und dann direkt an den Mann zu bringen. Vorne, letztes Drittel: Mut, Risiko, Eins gegen Eins, dribbeln, alles möglich… aber wieder ganz klar: eigene Hälfte, erstes Drittel, Jungs, da zählt nur eines: Ball sichern, an den nächsten Mann zu kommen oder zu klären.“ An der Tafel geht Felix auf die Spielweise des Gegners ein und zieht Schlüsse für das eigene Spiel.Die Taktik steht: „So bekommen wir die drei Punkte und der Rest ist dann Zukunft! Ok? Konzentration Männer!!!“


14:21 Uhr

Auf einer Rasenfläche neben dem Sportplatz des SV Lauffen steht Aufwärmen auf dem Programm. Das Spiel der zweiten Mannschaft läuft immer noch.


14:49 Uhr

In der schmalen Kabine im Keller des Vereinsheims bilden Spieler und Trainer einen engen Kreis und legen die Arme über die Schultern der Nebenleute. Die Spieler tragen nun Trikots. Nico beginnt: „Gebt Gas! Wenn etwas nicht klappt, werdet nicht unzufrieden. Wir sind ein Team und bauen uns auf. Die nächste Aktion klappt dann wieder. Ok, Männer?“ Nun spricht Felix: „Erster Matchball von fünf, Männer! So stand es überall drin. Und ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, mir geht es selber so, seit heute Morgen ist so eine Grundspannung von Anfang an da. So eine geile Grundspannung. So eine Vorfreude auf so ein Spitzenspiel. Einfach die drei Punkte zu holen. Und dann sehen, was kommt. Und genau für das spielen wir Fußball. Genau für solche Spiele. Genau für so was. Deswegen mag jeder Fußball! Da kann man Emotionen reinpacken. Da kann man sich pushen. Da kann man zeigen, was man kann. Da kann man füreinander einstehen. Und genau das macht uns erfolgreich, Männer, wir stehen füreinander ein. Nicht der Einzelne, weil wir einen überragenden Kicker haben, sondern weil wir als Team überragend fungieren, überragend arbeiten. Und so macht das Team jeden Einzelnen auch stärker und besser. Und genau das müssen wir wieder heute schaffen! Dass der Einzelne seinen Mannschaftskameraden besser macht. Dass das Team denjenigen unterstützt, wenn er einen Fehler macht, dass wir zusammen jubeln, wenn einer ein Tor macht, dass, wenn er eine Aktion macht, man hingeht und ihn trotzdem pusht und sagt: ‚Geil gemacht!‘ Oder wenn Fehler passieren, dann ‚Weiter so!‘ Genau das macht uns stark. Jetzt haben wir 25 Spiele so bestritten und das 26. machen wir jetzt genau gleich weiter. Und jetzt gehen wir da raus, Männer, mit einem Lächeln, haben Spaß, mit einer breiten Brust, und freuen uns auf 90 Minuten Vollgas-Fußball von uns. Und jeder kann sich voll verausgaben, wir haben ausreichend Männer, wir haben genug geile Spieler auf der Bank.

Wenn jemand nicht kann, meldet Euch, wir wechseln ein und derjenige kommt rein und pusht sich und macht alle platt! Und jetzt zeigen wir den Zuschauern, was für eine geile Mannschaft wir sind und gehen da raus und holen die nächsten drei Punkte. Ist das in Ordnung?“ Die Spieler brüllen ein „Jaaaaa!“ und klatschen in die Hände.


15:02 Uhr - ANPFIFF!

Das Spiel geht endlich los...


15:48 Uhr - HALBZEIT

Mit schweißgetränkten Trikots und geröteten Gesichtern kommen die Spieler in die Kabine. Es steht 1:1. Die Hitze ist immer noch drückend. Trinken ist angesagt. Kurz vor Ende der Halbzeit gibt es erneut einen Kreis und die Nummer 5 ergreift das Wort: „Also Jungs, jetzt geht nochmals darum, dass wir jeden Zweikampf gewinnen, dass wir die Tore erzwingen wollen, dann haben wir die im Sack, wirklich nochmals kämpfen: einer für alle, alle für einen. 45 Minuten Vollgas-Fußball für uns! Auf geht’s Männer!“


16:49 Uhr

Das Spiel ist aus und endet unentschieden 1:1, die Meisterschaft ist für die SG Deißlingen-Lauffen noch nicht eingetütet. Dies holt die Mannschaft aber schon am nächsten Spieltag nach. Die Auswärtspartie gegen die SGM 08 Schramberg/SV Sulgen endet 4:1 und die SG Deißlingen-Lauffen ist Meister der Bezirksliga Schwarzwald der Saison 2021/22.

ENRW von innen

Felix Schaplewski ist Teamleiter für Sonder- und Tarifkunden im Kundenservice der ENRW. Ein Großteil seines Aufgabengebiets umfasst das Abrechnungssystem.
Schaplewski koordiniert die Tarif- und Preispflege sowie das Vertragswesen. Sein Team sorgt dafür, dass die Sonder- und Tarifkunden ihre Jahres-, Monats- oder Schlussabrechnungen erhalten. Außerdem steht er allen Kunden mit Rat und Tat für alle Fragen rund um das Thema „Energie“ zur Seite.

Bezirksliga-Meister: Die SG Deißlingen-Lauffen