07.07.2022

Versorgungshelden Strom

Gäbe es keine Menschen, die sich beruflich mit Strom und Elektrizität beschäftigen, würde dies unsere hochindustrialisierte Zivilisation vor große Probleme stellen. Wir haben es längst verlernt, ohne Strom zu (über-)leben.

Spielen wir den Fall eines „Blackouts“ – sprich: der flächendeckende Zusammenbruch der Stromversorgung – einmal ganz kurz und beileibe nicht vollständig durch. Die Kommunikationsnetze brechen zusammen, die Nächte bleiben stockdunkel, Kühlsysteme fallen aus, die industrielle Produktion ist lahmgelegt. Krankenhäuser können sich lediglich eine gewisse Zeit über Notstromaggregate behelfen, Bankautomaten sind nicht mehr funktionsfähig, Supermärkte werden mit dem letzten Bargeld leergekauft oder geplündert. Müll und Abwasser können nicht mehr entsorgt werden und Kriminelle entkommen aus den elektronisch gesicherten Gefängnissen.

Dieses Szenario vor Augen, bringt man den jungen Leuten, die sich für den Beruf beispielsweise des Elektronikers für Energie- und Gebäudetechnik entscheiden, Respekt und Dankbarkeit entgegen. Letztlich sind sie es, die unsere Zivilisation am Laufen halten, da sie beispielsweise in der Lage sind, an einem defekten Stromnetz die nötigen Reparaturen durchzuführen. Klare Sache: wir reden von echten „Versorgungshelden“…

Einer davon ist Felix Haaser aus Rottweil. Nach dem Realschulabschluss absolvierte er ein Praktikum bei der ENRW Energieversorgung Rottweil. Dies gefiel ihm so gut, dass er mehr oder minder direkt im Anschluss die dreieinhalbjährige Ausbildung begann. Im Anschluss wurde er übernommen und im Bereich „Mess-/Steuer-/Regeltechnik“ eingesetzt. Berufsbegleitend bildete er sich via Fernstudium zum staatlich geprüften Techniker weiter. Seit 2022 übernimmt Felix Haaser Sonderaufgaben. So beschäftigte er sich beispielsweise intensiv mit der digitalen Übermittlung von Zählerständen in den Bereichen „Trinkwasser“, „Strom“ und „Fernwärme“. „LoRaWAN“ (Long Range Wide Area Network) nennt sich eine Technologie, welche auf Basis einer energieeffizienten Funkübertragung Daten übermittelt. Felix Haaser installierte Gateways auf so markanten Punkten wie dem ehemaligen Rottweiler Wasserturm. Die Gateways empfangen die Daten und leiten sie weiter: smart world lässt grüßen.

Er entwickelte aber auch Messkonzepte für Trafostationen innerhalb der örtlichen Stromnetze und untersuchte das Einspeiseverhalten vieler kleiner PV-Anlagen und deren Auswirkungen auf die Stromnetze der ENRW: „Wir müssen verstehen und nachvollziehen, wie sich die Stromnetze verhalten, wenn große von PV-Anlagen produzierte Strommengen in die Netze gelangen.“ Früher seien die Netze nur dafür geplant worden, Strom zu den Verbrauchern zu transportieren: „Heute müssen sie aufgrund der regenerativen Stromerzeugung vor Ort auch in der Lage sein, große Strommengen aufzunehmen.“ Die Herausforderung besteht darin, unter diesen Umständen, die Netze stabil zu halten. Regenerative Energie Wasser-, Wind- oder Sonnenkraft ist eben mal da und mal nicht. Der Ausgleich von Verbrauch und Einspeisung verschiebt sich nun immer mehr weg von zentralen Kohle- und Atomkraftwerken hin zu regionalen Verteilnetzen: „Wenn es diese Großkraftwerke nicht mehr gibt, muss das Netz auf eine andere Art und Weise stabil gehalten werden.“

Mit Strom zu arbeiten, macht dem 24-Jährigen keine Angst: „Für unseren Berufsstand sind die fünf Sicherheitsregeln überlebenswichtig.“ Frei (sprich: stromlos) schalten, gegen Wiedereinschalten sichern, mit Messgerät Spannungsfreiheit feststellen, erden und kurzschließen sowie benachbarte unter Spannung stehende Teile abdecken. Felix Haaser kann sich keinen spannenderen (im wahrsten Sinne des Wortes) Beruf vorstellen: „Man verfügt über enorm viele Möglichkeiten. Ob Handwerk, Industrie oder Energieversorger – überall werden Elektroniker dringend und unausweichlich benötigt.“ Selbst einen Tag ohne Strom zu leben, würde viele Menschen vor große Probleme stellen. Von sozialen Einrichtungen oder Krankenhäusern gar nicht zu reden: „Mein Berufsschullehrer sagte uns damals, nach den dreieinhalb Jahren würden wir anders durchs Leben gehen. Und so ist es. Früher sind mir Freileitungen, Trafohäuschen oder Überlandleitungen überhaupt nicht aufgefallen. Heute sehe ich diese Anlagen mit komplett anderen Augen.“ Felix Haaser und seine Kollegen wissen, wie wichtig sie für unseren Alltag sind. Dank erwarten sie keinen: „Immer Strom zu haben, ist in Deutschland längst etwas Selbstverständliches.“

Dass Handwerk goldenen Boden besitzt, vermittelte ihm schon sein Vater, der als Fliesenleger sein Geld verdient. Und Handwerk hat mit den Händen zu tun: „Die Ausbildung besteht aus 30 Prozent Theorie und 70 Prozent Praxis.“ Felix Haaser hat es bislang keine Sekunde bereut, die Ausbildung dem Abitur vorgezogen zu haben: „Für mich war es perfekt so!“

Ein schöner Beruf: Elektroniker für Gebäude- und Betriebstechnik