Extremtaucher im Einsatz
Schon von Weitem ist das riesige, eiförmige Bauwerk inmitten der Rottweiler Kläranlage zu erkennen: Der Faulbehälter – auch Faulturm genannt. Er ist die Endstation für den anfallenden Klärschlamm, der nach der Reinigung des Abwassers zurückbleibt. Zusammengesetzt ist dieser aus dem Primärschlamm, also den nicht zersetzten organischen Feststoffen wie Fäkalien, Papierresten und Haaren, sowie dem Überschussschlamm. Dieser besteht aus der Masse an Mikroorganismen, die sich bei der Reinigung des Abwassers im Nachklärbecken vermehrt haben und ansammeln.
Im Faulturm vergärt der Klärschlamm. Dabei erzeugt er Faulgase wie Methan, die sich zur Energiegewinnung nutzen lassen. Durch die Beimischung von Fetten kann zusätzlicher Kohlenstoff eingebracht und die Faulgasmenge erhöht werden.
„Durch das erzeugte Faulgas decken wir 100 Prozent unseres Strombedarfs ab“, erklärt Oliver Blöchle, Teamleiter der Kläranlage Rottweil, die zum ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung gehört. „Zudem erzeugen wir die Wärme, die in unseren anliegenden Verwaltungsgebäuden benötigt wird, komplett selbst. Auf externe Heizenergie greifen wir höchstens in sehr kalten Wintern zurück, wenn ein Teil der Wärme dafür benötigt wird, den Klärschlamm immer auf der geeigneten Temperatur von etwa 38 Grad Celsius zu halten. Das ist aber bislang nur ganz wenige Male vorgekommen“, so Oliver Blöchle. Ausgefault ist der Klärschlamm nach etwa 36 Tagen im Turm. Abschließend wird dieser entwässert und abtransportiert.
Der entwässerte Schlamm wird mittels der Abwärme einer Biogasanlage getrocknet und anschließend im Zementwerk thermisch verwertet.
Der Rottweiler Faulturm hat ein Fassungsvermögen von 3.300 Kubikmetern. Das Problem: Durch eingetragene Feststoffe kommt es im Inneren zu Ablagerungen. „Obwohl alles vorher durch eine Art Häcksler läuft, verklumpen beispielsweise Haare und Papierfasern. Das kann dazu führen, dass Pumpen und Rohre verstopfen und im schlimmsten Fall kaputt gehen. Außerdem lagert sich nach und nach immer mehr Masse am Rand und am Boden des Behälters ab, setzt sich fest und kann irgendwann nicht mehr umgewälzt werden“, erklärt Oliver Blöchle.
Alle fünf Jahre findet ein Kontrolltauchgang statt. Etwa alle zehn Jahre ist es notwendig, den Faulturm von hartnäckigen Ablagerungen und großen Feststoffklumpen zu befreien – und hier kommen besonders hartgesottene Zeitgenossen ins Spiel: Die Faulturmtaucher. Im April 2024 war es wieder so weit: Eine Truppe von insgesamt fünf Tauchern einer österreichischen Firma rückte für zwei Wochen an, um den Faulturm der Rottweiler Kläranlage von Rückständen zu befreien sowie die im Inneren verlaufenden Rohre und Pumpen zu checken.
„Es gibt nicht viele Firmen, die das anbieten“, erklärt Oliver Blöchle. „Es ist ein harter und nicht ungefährlicher Job. Die Taucher wechseln sich dabei ab: Jeder macht immer nur einen Tauchgang.“ Zum Einen arbeiten sie in vollkommener Dunkelheit, das erfordert höchste Konzentration. Der ohnehin schon schwere Anzug ist zudem zusätzlich noch mit Gewichten ausgestattet, die immer leicht nach unten ziehen. So verlieren sie die Orientierung nicht so leicht, wenn sie sich im Turm bewegen, auch, wenn sie über Luftschläuche theoretisch mit der Oberfläche verbunden sind. „Immerhin können sich die Taucher über eine Sprechanlage und Zeichen durch Bewegungen am Sicherungsseil mit den Kollegen verständigen“, erklärt Oliver Blöchle.
Zu den Aufgaben der Berufstaucher gehört während dieses Einsatzes zunächst, die Ablagerungen am Rand und Boden des Faulturms zu lösen und sie mit einem Schlauch direkt abzusaugen. Das ist wichtig, damit der Schlamm auch weiterhin gleichmäßig durchgewälzt werden kann und ordnungsmäßig vergärt. Ist diese Aufgabe geschafft, machen sie sich an den groben Schmutz, der im Faulschlamm schwimmt. Die Kollegen lassen hierzu von oben eine Art großes Sieb, ähnlich einem Eimer mit Löchern, an einem Seil zum Taucher hinunter. Schaut man von außen auf den offenen Behälter, sieht man nun lediglich hin und wieder wie der Eimer aus der braunen Schlammmasse auftaucht und ein Arm Feststoff hineinhievt. Es handelt sich dabei meist um lange Haar- und Fasergebilde, die im ersten Moment an nasse Tiere erinnern. Erst, wenn alle Verschmutzungen und Feststoffe entfernt sind, ist die Arbeit der Faulturmtaucher beendet – und mithilfe eines Krans kann der schwere Deckel wieder auf den Turm gehoben werden, um ihn für die nächsten fünf Jahre zu verschließen.
Sie würden gern mehr über die Abläufe auf der Kläranlage erfahren? Das Team des Eigenbetriebs Stadtentwässerung führt gerne Gruppen über die Anlage und erklärt Näheres zu Funktionsweisen und Vorgängen. Schicken Sie Ihre Anfrage einfach an: hierbleiber@enrw.de