08.04.2024

Redispatch kurz erklärt

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Der Abfluss im Badezimmer ist verstopft. Selbst kommen Sie bei der Sache nicht weiter, da muss ein Profi her. Sie rufen bei der Handwerkerfirma an, mit der Sie im Rahmen des Hausbaus einen Vertrag abgeschlossen haben. Die hat ihren Sitz zwar etwas weiter weg, ist aber günstig und zuverlässig. Eigentlich eine unkomplizierte Sache und auch in der Vergangenheit lief die Abwicklung der Termine immer reibungslos. Wäre da nur nicht der ungewöhnlich hohe Verkehr heute auf eben der Fahrtstrecke, die die Fachleute zurücklegen müssen, um zu Ihnen zu gelangen. Das Aufkommen ist einfach zu hoch, die Straßen sind überlastet – keine Chance. Das Problem ist allerdings akut, also muss eine andere Lösung her. Ihr Vertragspartner kümmert sich um einen nahegelegenen Handwerkerdienst, der kurzfristig jemanden schicken kann. Im Nu ist Ihr Abfluss wieder frei. Nur die Rechnung ist jetzt leider etwas höher.

So in etwa muss man sich – stark vereinfacht – einen Redispatch vorstellen: Er bezeichnet die Änderung der Einsatzplanung (Dispatch) von Kraftwerken durch die Netzbetreiber – also die Anweisung zur Verschiebung der Stromproduktion. „In vielen Köpfen schwirrt noch immer das Bild der Kupferplatte umher, wenn an Stromnetze gedacht wird“, erklärt Dr. Michael Volk, Teamleiter der Netzleitstelle bei der ENRW Energieversorgung Rottweil. „In diesem Fall wäre der Strom – egal von woher – stets überall verfügbar. Dieser Vergleich hinkt aber leider: Er muss durch Leitungen fließen und diese haben eine Kapazitätsgrenze. Wenn zu viel angefordert wird, sind sie überlastet und laufen im wahrsten Sinne des Wortes irgendwann heiß.“

Es kann also vorkommen, dass die Nachfrage irgendwo im Netz so hoch ist, dass nicht ausreichend Energie von dort aus beschafft werden kann, wo sie eingekauft wurde. Dann muss die Energie über eine andere Leitung bezogen werden. „Im ungünstigsten Fall bedeutet das beispielsweise, dass ich eigentlich einen 

Vertrag mit dem Windkraftwerk aus Norddeutschland habe, der Wind dort auch kräftig weht, ich aber trotzdem Strom aus einem nahegelegenen Kohlekraftwerk beziehen muss“, so Dr. Michael Volk. Der Unterschied zu unserem Handwerker-Gleichnis von oben: Die Netzbetreiber können Engpässe rechtzeitig prognostizieren und somit bereits im Vorfeld reagieren und umplanen. Ein Redispatch ist also nicht unerwartet und plötzlich – oder gar eine Notmaßnahme in letzter Minute.

Direkt sind die Verbraucherinnen und Verbraucher von einem Redispatch nicht betroffen. „Der Endkunde merkt nicht, woher der Strom kommt, den er bezieht – und es gibt auch keine Ausfälle oder spürbaren Übergänge“, erklärt Dr. Michael Volk. „Dennoch wirken sich Redispatches auf die Netzentgelte aus: Die Anbieter, die den Strom theoretisch parat haben, aber aufgrund von Netzengpässen nicht liefern können, werden entschädigt. Und die Kraftwerke, auf die ausgewichen wird, lassen sich den Strom selbstverständlich auch bezahlen.“ Trotzdem besteht kein Grund zur Sorge. Auch wenn Redispatches auf höherer Ebene bei den großen Übertragungsnetzbetreibern oft vorkommen und in den Netzentgelten einkalkuliert sind – die ENRW musste bislang noch nicht auf diese Maßnahme zurückgreifen.

Tipp: Wer sich einen Überblick über die aktuelle Auslastung der Netze verschaffen möchte oder seinen Verbrauch an die aktuelle Versorgungslage anpassen will, hat die Möglichkeit, sich über Apps wie „StromGedacht“ zu informieren.

Dr. Michael Volk, Teamleiter der Netzleitstelle bei der ENRW Energieversorgung Rottweil