06.10.2022

Jede kämpft für jede

Die Damenmannschaft des FV 08 Rottweil

Frauenfußball wird immer populärer. Insbesondere die Frauen-Fußball-EM 2022 in England hat der Sportart einen mächtigen Schub verpasst. Das spüren auch die Damen des FV08 Rottweil, die derzeit in der Verbandsliga ganz vorne mitspielen. Zuschauerzahlen und Interesse steigen. Wir hatten aus diesem Grund Fragen an die Spielerinnen Alisa Leopold (26), Mittelfeld zentral, Marline Stummer (26), Innenverteidigung, und Jule Sauser (25), Innenverteidigung.

Wie seid Ihr zum Fußball gekommen?

Alisa: Mein Vater war selbst lange Fußballer und danach Trainer (aktuell Trainer beim VfB Bösingen). Daher war Fußball von klein auf bereits ein großer Bestandteil meines Lebens.
Marline: Bei uns hat die ganze Nachbarschaft auf der Straße gekickt (egal ob männlich/weiblich) und so wurde das Interesse am Fußball geweckt.
Jule: Der Auslöser war bei mir die WM 2006 in Deutschland sowie die Filmreihe „Die wilden Kerle“. Glücklicherweise wurde im gleichen Jahr auch eine Mädchenmannschaft in dem Dorf gegründet, in dem ich aufgewachsen bin.

Wart Ihr immer schon fußballbegeistert oder kam das erst später?

Alisa: Wie bereits erwähnt, war ich schon als Baby immer mit auf dem Sportplatz dabei. Daher hat mich Fußball bereits als Kleinkind begeistert. Ich spiele bereits seit meinem 4. Lebensjahr Fußball. Gestartet habe ich in der Bambini-Mannschaft des FC Dietingen bis zur C-Jugend bei den Jungs.
Marline: Von Anfang an, da es eine Teamsportart ist und schöne Freundschaften auch daraus entstanden sind.
Jule: Die Sportart hat mir schon immer gefallen. Bereits im Kindergarten habe ich mit den Jungs gespielt oder es zumindest versucht :-)

Wart Ihr nach der Schule oft auf dem Bolzplatz oder eher nicht?

Alisa: Sehr oft, wenn machbar fast täglich. Entweder auf dem Sportplatz, aber eher mit Freunden auf der Straße mit selbstgebauten Toren.
Marline: Bolzplatz eher nicht. Aber da ich in einer Sackgasse aufgewachsen bin, wurde viel auf der Straße gespielt.
Jule: Ich war schon sehr oft auf dem Bolzplatz, konnte als Kind gar nicht genug davon bekommen.

Wart oder seid Ihr Fan eines Bundes-liga-Clubs der Männer? Oder kon-zentriert Ihr Euch auch als Fan ganz auf Frauenfußball?

Alisa: Ja, ich bin großer Fußballfan vom Borussia Mönchengladbach. Für Frauenfußball habe ich mich tatsächlich erst viel später interessiert. Weil es einfach nicht so publik war/ist, wie bei Männern, und ich auch ganz lange selbst bei den Jungs gespielt habe. Hier bin ich auch kein Fan einer speziellen Mannschaft, sondern eher von einzelnen Spielerinnen, deren Spielstil mir gefällt und die ich ein wenig als Vorbild sehe. Zum Beispiel eine Lina Magull vom FC Bayern München.
Marline: Eher nicht. Aber auch nicht, weil ich mich auf „Frauenfußball“ konzentriere. Ich schaue gerne unseren eigenen Herren zu oder besuche Spiele in der Umgebung.
Jule: Ich würde mich als „passiven Fan“ des FC Bayern sowie des SC Freiburg bezeichnen, da ich die Bundesliga eher selten verfolge.

Hat sich Eurer Ansicht nach die Akzeptaz des Frauenfußballs in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert? Falls ja, warum und wie?

Marline: Frauenfußball wird schon deutlich mehr gefördert und unterstützt wie in den vergangenen Jahren. Dennoch ist noch Luft nach oben.
Jule: Definitv! Frauenfußball ist deutlich attraktiver zum Anschauen geworden und hat sich mehr etabliert. Grund dafür ist sicherlich der Erfolg der Deutschen Nationalmannschaft.

Habt Ihr viele Zuschauer im Vergleich zu den Herren? Sind das dann mehr Frauen oder Männer?

Alisa: Diese Saison haben wir deutlich mehr Zuschauer als die Jahre zuvor. Ich denke, dass hier teilweise die EM 2022 in England eine Rolle spielt, aber auch einfach unsere Mannschaftsleistung. Wir sind innerhalb kurzer Zeit zwei Mal aufgestiegen. 2018 von der Regionalliga in die Landesliga und 2020 dann in die Verbandsliga. Hier haben wir uns bereits im ersten Jahr gefestigt und noch nie wirklich gegen den Abstieg gespielt.
Marline: Wir haben viele Zuschauer und auch sehr treue Fans. Von daher können wir definitiv mit den Herren mithalten.
Jule: Im Vergleich zu den Männern sind es natürlich weniger, aber wir haben in den vergangenen Jahren die Zuschauerzahlen deutlich steigern können - vom Geschlecht her dürfte es recht ausgeglichen sein.

Worin bestehen die großen Unterschiede beim Männer- und Frauen-fußball?

Alisa: Das Tempo ist beim Männerfußball deutlich höher. Sprich, das Spiel ist insgesamt schneller. Einen sehr großen Unterschied gibt es in Sachen Gehälter. Männer verdienen ein Vermögen. Bei den Frauen müssen viele Profis neben Training und Spiel noch arbeiten gehen. Dafür ist bei den Frauen der Sportsgeist deutlich besser. Wir schauspielern, diskutieren und provozieren viel weniger im Spiel. Auch Wertschätzung spielt eine große Rolle. Obwohl wir alle genau so viel und intensiv trainieren wie die Männer, erfahren wir leider nicht den gleichen Respekt.
Marline: Der einzige Unterschied ist die Bezeichnung.
Jule: Gehälter, Zuschauerzahlen und Popularität unterscheiden sich. Darüber hinaus ist Männerfußball schneller und dynamischer.

Was haben Eure Mütter, was Eure Väter gesagt, als Ihr mit Fußball begonnen habt?

Alisa: Die haben das von Anfang an unterstützt, da die ganze Familie sehr fußballbegeistert ist.
Marline: Sie haben mich von Anfang an unterstützt. Hätten sie aber auch bei einer anderen Sportart getan.
Jule: Meine Mutter hat geschmunzelt und gemeint, sie würde mir drei Wochen geben, bis ich meine Kickschuhe wieder „an den Nagel hänge“. Mittlerweile spiele ich schon seit 16 Jahren.

Was fasziniert Euch am Kicken im Vergleich zu anderen Sportarten?

Alisa: Ich habe nicht wirklich andere Sportarten ausprobiert. Außer Tennis, was mich wiederum auch fasziniert. Allerdings ist beides zu kombinieren zeittechnisch nicht ganz einfach. Daher musste ich mich irgendwann entscheiden. Da stand Fußball allerdings mit Abstand immer an erster Stelle. Ein großes Thema ist auf jeden Fall auch der Mannschaftssport an sich.
Marline: Es ist eine Teamsportart, bei der man nur zusammen etwas erreichen kann und an der frischen Luft ist.
Jule: Ich finde den Mannschaftszusammen-halt super, so etwas hat man im Einzelsport in der Regel nicht. Jede(r) kämpft für jeden, man gewinnt zusammen und verliert aber auch zusammen.

Vereinzelt gibt es im Männerfußball bereits Schiedsrichterinnen und Trainerinnen. Wie steht Ihr dazu? Meint Ihr, dass das funktioniert?

Alisa: Ja, warum sollte es nicht funktionieren? Das Wissen ist, trotz anderer körperlicher Voraussetzungen, gegeben. Die Mädels machen ihren Job sehr gut.
Marline: Warum sollte es nicht? Eine gute Trainerin/Schiedsrichterin hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
Jule: Auf jeden Fall! Das Geschlecht sollte nicht über Fähigkeiten oder Kompetenzen entscheiden.

Habt Ihr schon in gemischten Mannschaften oder gegen Männermannschaften gespielt? Wie waren die Erfahrungen?

Alisa: Wie bereits erwähnt, habe ich einen Großteil meiner Jugend bei den Jungs mitgespielt. Da wurden nie Unterschiede gemacht. Ich hatte bisher immer nur gute Erfahrungen erleben dürfen.
Marline: In der Jugend recht viel, da damals die körperlichen Unterschiede noch nicht so groß waren. Auch spielerisch war es noch auf einer Ebene.
Jule: In der Jugend habe ich ab und an mal mit den Jungs trainiert und durfte mal bei einem Turnier aushelfen. Hier waren sie eher verhalten und schüchtern. Im Urlaub hingegen musste man betteln, dass man überhaupt mitspielen dufte, weil einem nichts zugetraut wurde.

Habt Ihr auch den Traum geträumt, Fußball-Profi zu werden? Wisst Ihr, ob weibliche Profis auch so viel Geld verdienen wie die Männer?

Alisa: Tatsächlich war dieser Traum da, allerdings hat irgendwann der Körper nicht mehr mitgemacht. Auch ist es schwer, die ganze Jugend für den Fußball zu opfern. Wenn andere sich treffen, gemeinsam etwas unternehmen, musst du mehrmals pro Woche eine lange Strecke ins Training und zu Spielen fahren. Selbst wenn Du Dein Leben bereits in jungen Jahren dem Fußball unterordnest, kann niemand garantieren, dass du es schafft. Da gehört eine Menge Ehrgeiz und Selbstdisziplin dazu. Dies ist als Kind bzw. in der Pubertät manchmal schwer umzusetzen. Das Thema Gehalt hatte ich bereits schon angesprochen. Leider müssen viele Frauen auch heute noch zusätzlich zur Profikarriere arbeiten gehen, da sie nicht von dem Geld, was sie bekommen, leben können.
Marline: War noch nie mein Streben. Frauen verdienen deutlich weniger als die Männer (zwecks Nachfrage) für denselben Aufwand.
Jule: Na klar, als Kind träumt da zumindest kurzzeitig jeder davon. Aber irgendwann wird man zurück auf den Boden der Tatsachen geholt.

Jule Sauser, Marline Stummer, Alisa Leopold