Die Verbindung zwischen Mensch und Tier
Reittherapie auf der Pawprints Ranch in Balgheim
Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“. Für viele mag das Sprichwort Friedrich von Bodenstedts nichts weiter als eine altbekannte Weisheit sein; für Angelika Bühler und ihre Mutter Karola Grundke ist es der Beweis dafür, dass Reittherapie ein voller Erfolg ist.
Im Sommer 2017 startete Angelika Bühler gemeinsam mit ihrer Mama Karola und ihrem Mann Bernd, ausgebildeter Pferdewirt, mit der Reittherapie auf ihrer eigenen Pawprints Ranch in Balgheim. Immer an ihrer Seite: Therapiepferd Allegro, ein Haflinger, der „extrem feinfühlig und aufmerksam ist.“ Nicht jedes Pferd eignet sich für den Einsatz in der Therapie. „Man kann viel durch Ausbildung machen. Es liegt aber auch an der Pferderasse und am Charakter des Pferdes, ob es sich eignet“, weiß Bühler. Mit Allegro hat sie ein perfektes Therapiepferd, das sehr gelassen und konzentriert ist und sich an seinen Reiter anpasst.
Ein Ausritt mit ihm ist Karola Grundke noch in guter Erinnerung. Der Haflinger sei plötzlich mitten im Galopp langsamer geworden. „Ich wusste nicht, was los war“, berichtet sie. Doch beim Absteigen bemerkte sie, dass der Sattelgurt gerissen war. „Allegro hat das natürlich sofort bemerkt und wusste, dass ich mich so nicht mehr lange halten kann.“
Angelika Bühler hat die heilende Wirkung von Tieren durch ihren schwerbehinderten Bruder erfahren, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte. Die damalige Frühförderstelle in Rottweil (jetzt „Schmetterlingskinder“) organisierte einmal pro Jahr einen Ausflug zu einem Pferdehof, bei dem auch die Familien mitfahren durften. „Ich habe gesehen, wie gut meinem Bruder und den anderen Kindern der Umgang mit Pferden tut“, berichtet Bühler. Sie selbst wollte helfen und machte eine eineinhalbjährige Ausbildung zur Reittherapeutin am Bodensee mit Blockunterricht, praktischen Übungseinheiten und einer Prüfung.
Bei jeder Therapiestunde stellt sie sich neu auf ihre Patienten ein. Je nach Krankheitsbild können die Patienten zu Beginn nicht auf dem Pferd sitzen oder sie haben Angst vor den großen Geschöpfen. „Es geht darum, eine Verbindung zwischen Mensch und Tier und Vertrauen herzustellen“, weiß die dreifache Mama. Um Ängste zu nehmen, dürfen die Kinder Zöpfe flechten, die Pferde streicheln oder sie führen. Sind die ersten Hemmungen abgebaut, trauen sich die meisten aufs Pferd. Sie selbst ist dabei nah am Patienten, ihre Mutter hat die Zügel in der Hand und führt das Pferd. Auf die Pawprints Ranch kommen überwiegend Kinder mit ADHS, Downsyndrom oder Entwicklungsverzögerungen und Erwachsene mit psychischen Erkrankungen, Depressionen, Burnout oder Spastiken.
Die Reittherapie setzt an unterschiedlichen Punkten an. Bei einem Kind mit ADHS unterstützt die Therapie seine Konzentrationsfähigkeit, indem das Kind Allegro durch einen Parcours führen darf. „Auch beim Putzen und Bürsten kommt das Kind zur Ruhe“, berichtet Grundke. Bei kleinen Patienten mit Down-Syndrom fehlt meist am Anfang die notwendige Muskelspannung, um aufrecht auf dem Pferderücken zu sitzen, was sehr anstrengend ist. „Manche Kinder sind dabei sogar auch schon in meinen Armen eingeschlafen, wenn ich mit auf dem Pferd sitze“, erzählt Bühler. Übrigens ist auch eine Therapiestunde für Allegro deutlich anstrengender als eine „normale“ Reitstunde, da „er viel konzentrierter sein muss.“
Beeindruckt sind sie und ihre Mutter jedes Mal von den Therapieerfolgen. „Eine Patientin mit Spastiken kam auf den Hof und konnte kaum laufen, hat gezittert. Nach der Stunde ist sie mit einem Lächeln gegangen und hat sich über ihre neu gewonnene Kraft gefreut.“ Zahlreiche Erfolgsgeschichten können die Pferdeliebhaberinnen berichten: ein Mädchen, das gemobbt wurde, tritt nun selbstbewusster auf; ein Kind, das in seiner Entwicklung verzögert war, hat die Angst vor sämtlichen Tieren verloren; eine Frau ohne Selbstbewusstsein hat ihren Selbstwert wiedererlangt und ein Mädchen mit Down-Syndrom, das sich anfangs kaum auf Allegro halten konnte, konnte später während des Reitens sogar Bälle fangen und zuwerfen. „Es ist unglaublich schön, das Lachen der Kinder zu hören, ihre Freude zu spüren und den Stolz der Eltern zu sehen“, beschreiben die beiden die erfüllenden Momente der Reittherapie.
Umso unverständlicher ist für die beiden, dass die Krankenkassen die tiergestützte Therapie nicht mehr bezahlen. Patienten sagten den beiden oft, sie würden gerne häufiger kommen, aber sie müssten alles selbst bezahlen und könnten sich weitere Stunden nicht leisten. „Das tut uns sehr leid, weil wir die Fortschritte ja sehen“, erzählt Bühler. Regelmäßige Therapiestunden seien wichtig, um die erzielten Erfolge aufrechtzuerhalten und darauf aufzubauen. Eine Suche nach Paten, die finanziell unterstützen, blieb bislang bedauerlicherweise erfolglos.
Zur Ranch gehören neben Allegro noch vier weitere Pferde sowie ein Shetlandpony, Schafe, Hühner, Schweine und eine Kuh. Letztere werden zwar nicht direkt für die tiergestützte Therapie eingesetzt, doch zum Abschluss einer Stunde dürfen die Patienten sie streicheln. Hoch im Kurs stehen vor allem die Tierbabys. Außerdem finden sich noch einige Hunde auf der Ranch, Pensionshunde und Vierbeiner, die Bühler trainiert. Ihre eigene Hündin Bailey hat sie zur Therapiehündin ausgebildet, die so gut wie jeden Gegenstand apportieren kann. Mit ihr war die Tierliebhaberin öfters in Pflegeheimen zu Gast, wo sie den Kontakt zwischen Bewohnern und ihrer Hündin spielerisch herstellte. „Es ist immer wieder schön zu sehen, welch positive Effekte, Tiere auf Menschen haben“, sagt Bühler.
Weitere Infos zur Reittherapie finden sich auf der Website www.pawprints-ranch.de oder können per Mail erfragt werden: pawprints-ranch@outlook.com.
Angelika Bühler und ihre Mutter Karola Grundke bieten auf ihrer Pawprints Ranch in Balgheim Reittherapie für Jung und Alt an.