TIERSCHUTZ TÄGLICH
Unterwegs mit der Sachbearbeiterin für Biber des Landkreises Rottweil
Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Biber denken? Vermutlich Bäume fällen und Staudämme bauen… doch dahinter steckt viel mehr. Biber sind perfekt an ihren Lebensraum am Ufer von Flüssen, Bächen oder Seen angepasst. Sie sind Profitaucher, Bauherren, Landschaftsarchitekten und Holzfäller in einem. Die Natur hat sie für ihre vielfältigen Jobs perfekt ausgerüstet. Der Biber ist das einzige Tier, das seinen Lebensraum aktiv gestaltet, also umbaut, verändert und erneuert. Davon profitiert nicht nur er, sondern unzählige Tier- und Pflanzenarten. Einzig der Mensch hat dabei vordergründig gesehen, Nachteile in Kauf zu nehmen. Carola Prantl, Naturschutzfachkraft am Landratsamt Rottweil, wirbt bei den Geschädigten um Verständnis für die Biber, hat aber auch Lösungen im Gepäck. Doch der Reihe nach…
Biber sind Vegetarier. Sie ernähren sich im Sommer von Kräutern und Gräsern. Während der kalten Jahreszeit frisst ein Biber pro Tag rund 900 Gramm Baumrinde. Leibspeisen sind dünne Äste und Knospen in den Kronen. Doch wie soll das 20 bis 30 Kilogramm schwere Tier nach oben gelangen? Klettern kann der Tausendsassa nicht. Also legen die Biber die Gehölze kurzerhand flach und verzehren ihr Picknick gemütlich am Boden oder im Wasser. Praktisch für den Biber, ärgerlich für den Baumbesitzer…
Um den selbstgebauten Bau im Uferbereich zu schützen, muss dessen Eingang stets unter Wasser liegen. Also bauen Biber Staudämme. Der Dammbau machte den Biber einerseits berühmt, andererseits aber auch berüchtigt. Denn durch den Stauprozess werden benachbarte flache Uferbereiche überflutet. Dadurch sterben Bäume ab, die keine lang andauernde Überflutung ertragen, wie beispielsweise die meisten Nadelhölzer, aber auch Eichen oder Buchen. Weichhölzer wie Weiden und Pappeln hingegen sind auf periodisch überflutete Gebiete spezialisiert. Ihre Wurzeln können auch längere Zeit im Wasser stehen. So verändert der Biber Fluss- und Bachlandschaften komplett.
Warum erhöhen Biber die Artenvielfalt in ihrem Lebensraum? Im dicht besiedelten Deutschland hat es die Natur schwer. Sie wird zurückgedrängt, begradigt und zurecht gestutzt. Die Biber schaffen durch ihre Bautätigkeiten und Nahrungssuche „Unordnung“ und „Naturnähe“. Genau dies initiiert neue und ursprüngliche Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten. Es entstehen beispielsweise durch das angestaute, uferübertretende Wasser kleine Tümpel für Amphibien und Insekten. Biber sind in der Lage, einen langweiligen Kanal in eine paradiesische Feuchtgebietslandschaft zu verwandeln – wenn der Mensch sie gewähren lässt. Baumfällungen bringen Licht und verjüngen Gehölze. Von den gefällten Stämmen trinken Wildbienen gerne den Saft, während das liegende und stehende Totholz vielen Tier- und Pilzarten als Nahrung und Lebensraum dient. Bei der Nahrungssuche pflegen Biber unbewusst Schilfbestände, indem sie die Wurzeln verspeisen. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Nach seiner Ausrottung im vergangenen Jahrhundert steht der Biber unter Naturschutz. In Deutschland erholt sich die Biberpopulation zunehmend und zieht zurück in ihre angestammten Bereiche. Es ist streng verboten, ihm nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Genauso ist es verboten, den Biber zu stören, seine Baue und Dämme zu beschädigen oder zu zerstören. Es drohen Geldbußen bis zu 50.000 Euro, aber auch Freiheitsstrafen. Bereits die Beseitigung eines beginnenden Dammbaus kann Konsequenzen nach sich ziehen.
Carola Prantl hat im Landkreis Rottweil bereits Biberfallen entdeckt und nicht nur das: auch schon Dämme wurden illegal entfernt. Seit Februar diesen Jahres kümmert sie sich um die Belange der Biber im Landkreis Rottweil, aber auch um Menschen, die mit dem Biber in Berührung kommen. Als Absolventin des Studienganges „Landschaftsplanung und Naturschutz“ bringt die 28-Jährige dafür das nötige Rüstzeug mit. Ihr zur Seite stehen bald vier ehrenamtliche Biber-Berater, denen das Wohl der geschützten Tiere ebenfalls sehr am Herzen liegt.
„Oft führt Unwissenheit zur abwehrenden Haltung gegenüber den Bibern“, berichtet sie. Etwa die Annahme, Biber fressen Fische oder vermehren sich unkontrolliert: „Im Gegensatz etwa zu Wanderratten haben Biber maximal einmal im Jahr Nachwuchs und regulieren sich. Werden die Reviere zu eng, wirkt sich ein erhöhter Stresspegel auf die Geburtenrate aus.“ Die Natur hat hier clever vorgesorgt.
Regelmäßig melden sich Menschen bei Carola Prantl, welche sich über Biber beschweren. Anwohner, Grundstücksbesitzer, Landwirte, Angler oder Gemeinden sind nicht immer von den Aktivitäten der Tiere begeistert. Gefällter Baumbestand, überschwemmte Wiesen und Felder sowie Ernteausfälle sind die Schlagworte. Fakt ist aber, dass sich die tatsächlichen Schäden in überschaubarem Rahmen halten. Die natürliche Ausbreitung ist der Grund, warum es keine Entschädigung gibt. Dennoch unterstützt das Land Betroffene durch bestimmte Förderungen.
Grundstücksbesitzer, Anwohner, Förster und Landwirte können kostenfrei Schutzmaterial für ihre Bäume und Wirtschaftsflächen von den ehrenamtlichen Biberberatern beziehen. „Außer den Schutzmaßnahmen gibt es zusätzlich die Möglichkeit, bei Bibervorkommen vorbeugend aktiv zu werden“, so Prantl. Dazu gehören unter anderem Ökokonto-Maßnahmen und Pflegeaufträge, die nach der Landschaftspflegerichtlinie entgolten werden – Lösungsmöglichkeiten, die vor allem Landbewirtschaftende sowie Flächeneigentümer betreffen.
„Meine Aufgabe besteht in erster Linie darin, Aufklärungsarbeit zu leisten, zuzuhören, die Anliegen ernst zu nehmen und individuelle Lösungen zu suchen.“ Allein das sorge bereits für eine entspanntere Gesprächsatmosphäre. Darüber hinaus würden bei Bauvorhaben oder Landschaftsplanungen die Biber oft vergessen. In ihrer Abschlussarbeit hat sie sich mit der Frage beschäftigt, wie eine friedliche Koexistenz zwischen Biber und Mensch zu erreichen ist: „Beispielsweise müssen störende Dämme nicht zwangsläufig entfernt werden. Eine leichte Absenkung des Wasserspiegels, die den Biberbau nicht tangiert und welche der Biber zu akzeptieren lernt, kann auch schon helfen.“
Carola Prantl mag ihren Beruf sehr: „Das Biber-Management macht für mich die Stelle so attraktiv. Es ist ungeheuer spannend, herauszufinden, was die jeweilige Biberfamilie gerade vor hat – und diese Pläne mit den Bedürfnissen der Menschen in Einklang zu bringen.“
Auskunft und Kontakt
Bei Rückfragen zum Thema „Biber“ und bei Materialbedarf können sich Betroffene gerne bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Rottweil melden:
naturschutz@landkreis-rottweil.de
Carola M. Prantl von der Unteren Naturschutzbehörde kümmert sich um die Biber im Landkreis Rottweil.