20.04.2021

„Wir machen das Beste aus der Situation“

Ich hätte mich in den Hintern gebissen, wenn ich seit März 2020 nur auf dem Sofa gesessen wäre!“ Philipp Schneider, Geschäftsführer des Rottweiler Partyservice Mattes, ist ein Mann der Tat. Der Start des ersten Corona-Lockdowns stürzte den 35-jährigen Gastronomen zunächst in ein Tal der Tränen: „Ich habe gedacht, jetzt bricht die Welt zusammen. Die von uns betriebene Cafeteria in der Bildungsakademie geschlossen. Dazu keine Hochzeiten, keine Firmenfeiern und keine Events. Dauernd klingelte das Telefon. Eine Absage nach der anderen.“

Doch dann erwachte sein Kampfgeist. Er erinnerte sich daran, dass seine Firma vor Jahren Mahlzeiten für „Essen auf Rädern“ der Arbeiterwohlfahrt zubereitet hatte. Und schon war die Idee „Schneider bringt’s“ geboren: „Wir wollten älteren Menschen, Eltern im Homeoffice oder Firmen von Montag bis Sonntag ein preiswertes Mittagessen anbieten, das kontakt- und bargeldlos bis vor die Haustür geliefert wird.“ Gesagt, getan. Innerhalb weniger Tage ließ Schneider einen entsprechenden Webshop programmieren. Am 23. März 2020 ging dieser unter www.schneider-bringts.de online.

Um das täglich frisch gekochte Essen garantiert heiß auszuliefern, wurden die Zielorte auf Rottweil, Zimmern o. R., Dietingen – alle mit Teilorten –, Deißlingen, Lauffen, Denkingen, Frittlingen und Villingendorf beschränkt. Wer hier wohnt oder arbeitet, kann sich bis 20 Uhr am Vortag online ein Mittagessen bestellen. Für Menschen ohne Internetzugang ist eine telefonische Bestellhotline eingerichtet. Täglich stehen zwei Menüs zur Auswahl: eines mit Fleisch oder Fisch (7,50 Euro) und eine vegetarische Alternative (6,50 Euro). Darüber hinaus gibt es sonntags als Zusatzangebot Suppe, Salat und Dessert. Auch das Thema „Nachhaltigkeit“ war Philipp Schneider wichtig: „Die Mahlzeiten werden durchweg in biologisch abbaubaren Einmalverpackungen ausgeliefert.“

Das Konzept funktionierte auf Anhieb. Firmen, Stadtverwaltungen, Pflegedienste und natürlich Privatpersonen nahmen das Angebot dankbar an. Bis heute werden täglich 130 bis 140 Essen verkauft. Bei speziellen Gerichten schnellen die Zahlen nach oben: „Unsere Top-Seller sind ganz klar Schnitzel, Cordon bleu, Fleischküchle und Linsen mit Spätzle. Da sind es dann schon mal 270 Essen pro Tag und mehr.“ Über die Hälfte von Schneiders Kunden sind ältere Leute: „Die lieben besonders Süßspeisen wie Kaiserschmarrn oder Dampfnudeln.“ Da oft die Online-Affinität fehlt, erfolgt in diesem Fall die Bezahlung nicht über PayPal, sondern per Rechnung oder Lastschrift. Für viele Senioren seien Schneider und sein Team während der Lockdowns der einzige Kontakt zur Außenwelt. Dementsprechend münden die telefonischen Essensbestellungen nicht selten in längere Gespräche: „Da sind wir dann auch als Seelsorger gefragt.“

An Weihnachten, Ostern, Muttertag, Pfingsten und natürlich an der Fasnet ließen sich der Gastronom, sein Küchenchef und Bruder Gabriel Schneider sowie seine Frau Julia jeweils etwas Besonderes einfallen: „Über die Fasnet beispielsweise haben wir tatsächlich rund 300 Portionen Kutteln ausgeliefert.“ Natürlich können die Erlöse von „Schneider bringt’s“ bei weitem nicht die Einnahmeausfälle durch Corona kompensieren, aber dennoch sieht Philipp Schneider gleich mehrere positive Effekte: „Für unsere Mitarbeiter ist es einfach psychologisch wichtig, während der Kurzarbeit nicht nur zu Hause zu sitzen, sondern zumindest zwei bis drei Tage pro Woche zu arbeiten.“ Zudem bedeute es für die Firma schlichtweg, einigermaßen liquide zu bleiben: „Wir sind derzeit auf staatliche Zuschüsse angewiesen und müssen Steuern stunden. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Irgendwann nach Corona kommt das dicke Ende. Da macht es schon Sinn, das Beste aus der Situation zu machen!“

Mit „Schneider bringt’s“ hat sich das Unternehmen ein neues Geschäftsfeld erschlossen, das möglicherweise auch nach Corona bestehen bleibt: „Der Jahresumsatz von durchschnittlich 130 Mahlzeiten pro Tag ist nicht zu verachten. Vielleicht gelingt es uns somit, sogar gestärkt aus der Krise herauszukommen.“ Ohne die Pandemie jedenfalls wäre der Gastronom nicht auf die Idee gekommen, einen Lieferservice zu initiieren. Und es würde ihn schmerzen, die neu gewonnenen Kunden wieder zu verlieren: „Gerade auch gegenüber unseren älteren Kunden fühlen wir uns nicht zuletzt auch aus sozialen Gründen in der Verantwortung.“