20.04.2021

„Unser Verkaufsautomat ist hochfrequentiert“

Sonntagmorgen, 9.07 Uhr: Julia Balschus‘ Smartphone meldet per akustischem Signal den Kauf von sechs frischen Eiern am Lebensmittelautomat in der Rottweiler Körnerstraße. Was früher der Zigaretten- oder Kaugummiautomat war, ist heute ein großer Kühlschrank mit regional erzeugten Lebensmitteln, der rund um die Uhr bereitsteht. „Sonntagmorgens ist der Automat hochfrequentiert, da holen viele ihre Frühstückseier“, so Julia Balschus, die den Automaten zusammen mit Ehemann Thomas betreibt. Ihr Smartphone ist per App mit der sogenannten „Foodbox“ verbunden. Heißt, sie kann von überall aus verfolgen, wie der Verkauf läuft.

„Wenn Produkte zur Neige gehen, bekomme ich eine Meldung aufs Handy, was ich wieder auffüllen muss“, berichtet die gelernte Landwirtin. Neben Eiern bilden Kartoffeln, Nudeln und Dosenwurst das Produktsortiment der Foodbox, welches überwiegend aus eigener Erzeugung stammt. Außerdem variiert das Warenangebot saisonal: Vergangenen Sommer war Grillfleisch der Metzgerei Meier der Renner, im Herbst gab es Schlachtplatte mit Sauerkraut. Damit die Lebensmittel haltbar bleiben, verfügt der Automat über einen Kühlschrank. Dieser kühlt im Sommer und heizt im Winter bei Minustemperaturen konstant auf vier Grad.

Seit Ende Juni 2020 steht der Automat auf einem Privatgrundstück in der Nähe des öffentlichen Parkplatzes „Groß‘sche Wiese“. Die innenstadtnahe Lage erweist sich als vorteilhaft. Morgens zwischen sieben und acht Uhr, in der Mittagszeit und zum Feierabend ist der Automat stark nachgefragt, wie die App vermeldet. An Spitzentagen muss der Automat zweimal täglich aufgefüllt werden. Das Prinzip ist einfach: Der Kunde wählt das gewünschte Produkt aus und bezahlt bar, per EC-Karte oder per PayPal-App über sein Handy. Anschließend fährt ein mit Schaumstoff ausgekleideter Aufzug nach oben und transportiert das gewünschte Produkt nach unten zur Entnahmeklappe. Gerade in Zeiten von Corona erweist sich der Einkauf am Automaten als sicher, da er kontaktlos und mit ausreichend Abstand getätigt werden kann.

Julia und Thomas Balschus haben 2014 den Moritzhof im Rottweiler Ortsteil Hausen eigenständig aufgebaut. Mittlerweile nennen sie 600 Hühner ihr Eigen, die dank drei mobiler Hühnerställe mal in Rottweil, mal in Rottweil-Hausen stationiert sind. 50 Mutterschafe mit ihren Lämmern tragen zur Landschaftspflege im Umland bei. Zudem betreuen die beiden in ihrer Pension 20 Pferde. Schon lange vor der Corona-Pandemie spielte das Paar mit dem Gedanken, eine Foodbox aufzustellen. Doch die Investition wollte gut überlegt sein, immerhin kostet ein Automat rund 15.000 Euro. Mit der Pandemie sahen sie ihre Chance gekommen: „Wenn wir es jetzt nicht machen, dann machen wir es nie!“

Nachfragen von interessierten Spaziergängern, die wissen wollten, wo sie denn die Eier der glücklichen Hühner kaufen können, taten ihr Übriges. Nachdem die Stadt Rottweil ihre Genehmigung erteilt hatte, konnten sie den Automaten aufstellen. Ein kleines Holzhäuschen schützt diesen vor Witterungseinflüssen. Apropos Schutz: Opfer von Vandalismus wurde der Automat bislang glücklicherweise noch nicht. Die Foodbox ist nicht der erste Verkaufsstand, den die Balschus betreiben. Auf ihrem Hof haben sie seit 2016 ein Selbstbedienungs-Häusle mit Kasse, das auf Vertrauensbasis geführt wird. Mittlerweile hat sich der Direktverkauf gut etabliert: „Wir haben bis zu 100 Kunden am Tag.“ Balschus hofft, dass auch der Verkauf durch die Foodbox in den kommenden Jahren noch steigt. Die Erfahrung zeigt, dass „die Leute sich erst daran gewöhnen müssen, dass es den Automaten gibt.“ Eine weitere Foodbox wird es vorerst aber nicht geben: „Da würden unsere Hühner mit dem Legen nicht mehr nachkommen.“